Likes oder Nähe – was zählt bei Fotos wirklich?

Fotos zeigen

Fotografen nutzen Social Media, sehen aber die eigene Website und Ausstellungen als bessere Präsentationsformen. Aber wo bleibt der echte Austausch? Ein Plädoyer für den Wert kleiner, persönlicher Runden.

Vor Kurzem habe ich meinen Followern auf Instagram die Frage gestellt: „Was ist die beste Möglichkeit, Fotos zu zeigen?“ Zur Auswahl standen Social Media, die eigene Website, Ausstellungen oder private Begegnungen. Das Ergebnis war eindeutig. Und ist für mich dennoch ein Grund, die Schwarmintelligenz zu hinterfragen.

Mit 40 % der Stimmen lag die eigene Website ganz vorne. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Fotografen eine eigene Website haben, denn die Frage bezog sich auf den Idealzustand, also die beste Möglichkeit. Das Ergebnis überrascht mich nicht. Auf der eigenen Website kann man frei entscheiden, welche Inhalte gezeigt werden, ohne Einschränkungen durch die Inhaltsmoderation sozialer Netzwerke. Die eigene Website ist eine eigene Galerie im digitalen Raum: ein Ort, an dem die Arbeit atmen darf und an dem Fotografen selbst den Rahmen setzen.

Knapp dahinter, mit 37 %, standen Ausstellungen. Offensichtlich ist der Wunsch, Bilder auf Papier, an Wänden und im physischen Raum zu zeigen und zu erleben, ungebrochen. Die Atmosphäre, die Haptik und der Maßstab machen die Werke in einer Ausstellung zu einer Erfahrung, die Online-Medien nicht ersetzen können. Auch die direkte Resonanz – das Gespräch vor Ort – sowie der Reputationsgewinn durch eine Ausstellung gehören zu diesem besonderen Reiz.

Social Media, die wohl am weitesten verbreitete Form der Bildpräsentation, erhielt nur 23 % der Stimmen, wenn es um das Empfinden eines Idealzustands geht. Obwohl diese Plattformen vielfach Reichweite, Vernetzung und schnelle Sichtbarkeit ermöglichen, empfinden offenbar viele Fotografen sie als flüchtig. Bilder rauschen vorbei, die Betrachtungsdauer auf dem Smartphone liegt bei deutlich unter einer Sekunde. An einem einzigen Tag werden im Internet mehr neue Fotos gezeigt als in den ersten 100 Jahren der Fotografie entstanden sind. Ich sehe Social Media eher als Werkzeug für Kontakte, Teaser und sonstige Ankündigungen, aber nicht als Ort, an dem sich ein Bild voll entfalten kann. Wie manche andere Fotografen würde ich meine besten Bilder daher nicht auf Social Media zeigen.

Ganz am Ende der Umfrage, mit 0 %, landete die Präsentation in persönlichen Begegnungen. Und genau das hat mich nachdenklich gemacht. Denn auch wenn die sogenannte „Reichweite“ bei persönlichen Begegnungen zahlenmäßig minimal ist, bieten sie etwas, das keine digitale Präsentationsform bieten kann: Wirkliche Nähe. An einem Tisch zusammen mit einigen wenigen Fotoenthusiasten kann man Bilder in Ruhe anschauen. Es gibt keine Ablenkung und keinen Druck, gleich weiterzuscrollen oder „zu liken“. Stattdessen beginnt ein Gespräch. Man schaut länger hin, hört die Geschichten hinter den Fotos, lacht und diskutiert miteinander und entdeckt Dinge, die einem allein vielleicht entgangen wären.

Diese Art der Begegnung ist nicht skalierbar. Sie hinterlässt keine Statistiken und generiert keinen Algorithmus-Schub. Aber vielleicht hinterlässt sie etwas Tieferes: einen bleibenden Eindruck bei den Teilnehmenden. Wer einmal erlebt hat, wie sich ein Fotoabend in so einer Runde anfühlt, merkt schnell, dass es dabei nicht um anonyme Reichweite, sondern um direkte Resonanz geht. Mein Tipp: Vier Fotografen treffen sich im privaten Rahmen. Jeder bringt zehn Prints beliebiger Größe zu einem beliebigen Thema mit. Diese werden gemeinsam betrachtet und diskutiert. Die Fotos sollten von Hand zu Hand gehen können und ein haptisches Erleben ermöglichen. Ihr werdet staunen, welche Stimmung sich dabei entfaltet. Mein zweiter Tipp: Macht keine Themenvorgaben.

Und was ist mit der Veröffentlichung eines Fotobuchs als weitere Möglichkeit, Fotos zu zeigen? Das ist ein weites Feld und wird demnächst ein anderer Artikel auf diesem Blog.

Fazit meiner kleinen Umfrage: Fotografen wollen Selbstbestimmtheit über die Präsentation (Website, Ausstellungen) und suchen daher Orte, an denen die Bilder intensiver wirken. Social Media spielt in der Praxis zwar die wichtigste Rolle, wird aber nicht als Ideal angesehen. Interessant ist der Kontrast zwischen Praxis und Ideal: In der Realität dominiert Social Media, in der Vorstellung wünschen sich die meisten Fotografen jedoch Websites und Ausstellungen. Vielleicht lohnt es sich aber, den Umfragepunkt „persönliche Begegnungen” nicht ganz zu vergessen. Denn während alle anderen Formen um weite Sichtbarkeit ringen, geht es hier darum, Bilder gemeinsam zu erleben und dabei die Leidenschaft für die Fotografie zu feiern.

Über Feedback zum Artikel freue ich mich natürlich. Gern hier.

Thomas Berlin

Thomas Berlin is a fine art photographer, photo blogger and photo book publisher from near Frankfurt am Main, Germany.

https://thomasberlin.net
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