„Mein Aufwand gilt dem echten Moment, nicht der nachträglichen digitalen Bearbeitung.“ Der Fotograf J. Konrad Schmidt im Gespräch mit Thomas Berlin



J. Konrad Schmidt

Konrad ist professioneller Fotograf aus Berlin, der für internationale Kunden arbeitet. Wir sprachen über fotografische Vorbilder, berufliche Herausforderungen und seine freien Arbeiten für sein neues Buch „Hotel Noir II”.

Foto: © Per Schorn


Thomas Berlin: Konrad, was fasziniert dich an der Fotografie im Vergleich zu anderen Kunstformen so sehr, dass du sie zu deinem Beruf gemacht hast?

J. Konrad Schmidt: Eine spannende Frage, besonders in Abgrenzung zu anderen Kunstformen. In der Fotografie arbeiten wir alle mit derselben Realität, während Malerei immer eine Verfremdung ist. Faszinierend finde ich, wie andere Fotografen aus den gleichen alltäglichen Situationen immer ganz andere beeindruckende Bilder schaffen, die ich selbst nie gemacht hätte. Diese individuelle Wahrnehmung und Darstellung der Welt macht den Reiz aus. Gleichzeitig ist genau dieser Realitätsbezug der Grund, warum Fotografie als Kunstform oft um mehr Anerkennung kämpft.

Thomas Berlin: Zwei Fotografen können denselben objektiv vorhandenen Gegenstand völlig unterschiedlich sehen und unterschiedliche Stimmungen einfangen – genau das macht es so spannend, oder?

J. Konrad Schmidt: Ja, total.

Thomas Berlin: Als kommerzieller Fotograf hast du manchmal die Situation, dass du oft den Stil des Kunden übernehmen musst. Da geht es viel weniger um Selbstdarstellung als Fotograf, sondern darum, den Kunden best möglich zu unterstützen. Aber wenn wir uns auf deine freien Arbeiten konzentrieren – und darüber würde ich gern mit dir sprechen –, hast du einen eigenen Stil. Kannst du den beschreiben? Oder ist ein genereller Stil gar nicht wichtig, sondern es geht darum, welcher Stil für das jeweilige Projekt sinnvoll ist?

J. Konrad Schmidt: Wenn ich meine freien Arbeiten zusammen betrachte, würde ich sie als grafisch und plakativ beschreiben – ohne hinter Filtern oder Effekten zu verschwinden. Mein Aufwand gilt dem echten Moment, nicht der nachträglichen digitalen Bearbeitung. Mein Stil wird oft als sehr „direkt” wahrgenommen. Ein zentrales Element ist der Umgang mit Menschen. Das zeigt sich oft darin, dass selbst bei identischen Bedingungen – gleiches Model, gleicher Ort – unterschiedliche Fotografen oft zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Die gleiche Realität kann völlig unterschiedlich eingefangen werden.

Thomas Berlin: Hast du fotografische Vorbilder?

J. Konrad Schmidt: Vorbilder sind ein interessantes Thema. Oft wird der Begriff mit Nachahmung verbunden, aber für mich geht es eher darum, wie jemand an Dinge herangeht. Vorbild im charakterlichen Sinne. Je länger man im Beruf ist, desto weniger kann man sich aber an anderen orientieren – man muss seinen eigenen Weg finden. Dabei erkennt man auch, dass manche Dinge nicht zur eigenen Natur passen. Im Laufe der Zeit geht es mehr darum, sich selbst treu zu bleiben, als jemand anderes zu sein. Spannend ist auch, dass viele frühere Vorbilder mittlerweile verstorben sind und die junge Generation sie oft gar nicht mehr kennt. Namen wie Jeanloup Sieff, Louise Dahl-Wolfe, Peter Lindbergh, Lillian Bassman oder Paolo Roversi sagen vielen nichts mehr – was erschreckend, aber auch erfrischend sein kann. Jede Generation hat ihre eigenen Vorbilder. In London habe ich eine Ausstellung von Tyler Mitchell gesehen – seine Arbeiten stehen für eine neue Generation mit anderen Themen, etwa in der Rassismuskritik, die früher weniger präsent waren.

Thomas Berlin: Da du die Begriffe „Vorbilder“ und „Nachahmung“ zusammenbringst: Die französische Fotografin Angélique Boissière sagte mir, dass zu viel Vorbild und Inspiration schaden kann – denn dann kopiert man mehr, als man kreiert. Ist Nachahmung überhaupt ein Problem?

J. Konrad Schmidt: Kürzlich schrieb mir ein Hamburger Fotograf, der mein „HÔTEL NOIR”-Cover im Playboy gesehen hatte. Er meinte scherzhaft: „Lieber gut kopiert als schlecht selbst erfunden.“ Ich antwortete ihm, dass ich ihn und seine Arbeit nicht kenne und fragte, ob wir nach fast 200 Jahren Fotografie noch an absolute Individualität glauben. Sein Argument: Er habe 2021 ein Buch mit einem lila Samteinband veröffentlicht und sehe sich als Erfinder dieser Gestaltung. Dabei gab es das schon 1992 bei Nick Knight. Ironischerweise ist seine Schriftprägung identisch mit der von Knight, während meine anders ist – trotzdem wirft er mir Kopie vor. Und kann Jemand für dich beanspruchen alleinig ein Material eines Herstellers nutzen zu dürfen? Wohl kaum …

Für mich ist die entscheidende Frage nicht, wie einzigartig eine Arbeit ist, sondern wer in unserer Zeit mit welchem Werk welches Publikum erreicht. Relevanz entsteht nicht durch radikale Individualität, sondern durch Resonanz. Denn ohne Publikum bleibt selbst die originellste Arbeit bedeutungslos.

Thomas Berlin: Wir können nicht verhindern, dass Eindrücke, die wir im Leben sammeln, in uns weiterwirken, unser Stilempfinden prägen und sich schließlich in unseren visuellen Vorlieben und Bildern ausdrücken.

J. Konrad Schmidt: Ja, das stimmt. Also diese Idee der Individualität in der Fotografie finde ich mittlerweile wirklich schwierig. Nach 15 Jahren im BFF–Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter e.V.–sah ich, wie viele anfangen, aber auch wieder aufhören. Die Zahl derjenigen, die 10, 20 Jahre konstant abliefern, ist extrem gering. Ich orientiere mich daher an denen, die es langfristig schaffen. Eine großartige Produktion oder zwei Jahre lang Fotograf zu spielen – das können viele. Doch ich habe großen Respekt vor Menschen, die seit Jahrzehnten solo–selbstständig sind – in einem Land, das für Solo–Selbstständige alles andere als gemacht ist. Allein das ist schon eine Leistung in sich.

Thomas Berlin: Der Anteil der kreativen Leistung an der Arbeitszeit wird letztendlich geringer durch die vielen Zwänge, die darum herum bestehen?

J. Konrad Schmidt: Ja, deswegen bin ich auch so kompromisslos in der freien Arbeit, weil ich einfach nicht versuche, im Job Künstler zu sein. Das würde auch keiner ernst nehmen heutzutage. Jedenfalls nicht in Deutschland. Also vielleicht im Ausland, und vielleicht werden dafür ein paar Leute gebucht, die sich dann auch wie Künstler verhalten. Ich nicht, und ich will das auch nicht. Mir macht es Spaß, die Leute glücklich zu machen. Und ich empfinde das auch als Leistung. Das sieht man auch vielleicht an der Mappe, dass man in anderen Situationen immer wieder Sachen anders machen kann. Die meisten Leute, die als Künstler gebucht werden, werden gebucht, um immer das Gleiche zu machen.

Thomas Berlin: Paolo Roversi wurde gebucht, um einen „Roversi–Look“ zu liefern.

J. Konrad Schmidt: Genau. Lange Zeit war das auch das, worauf es ankam. Aber heute…? Immer das Gleiche zu machen, wäre mir auch zu langweilig. Ich verdiene mein Geld mit sehr diversen kommerziellen Jobs, sodass ich in meiner freien Arbeit keine Kompromisse eingehen muss und einfach machen kann, was ich will. Das bringt eine große Entspannung – und so gefällt mir der Weg, wie er jetzt ist.

Thomas Berlin: Lass uns noch etwas bei den freien Arbeiten bleiben, die sicher auch in deine kommerzielle Arbeit abstrahlen. Ist das Spannungsfeld zwischen Authentizität und Inszenierung für dich ein Thema? Denn ohne Inszenierung gibt es keine Spannung. Und ist Authentizität in künstlerischen Bildern überhaupt wichtig?

J. Konrad Schmidt: Bis zu welchem Grad, ist ein riesiges Thema. Besonders jetzt, wo GenKI uns zwingt, noch genauer hinzusehen: Was sehen wir eigentlich? Im BFF diskutieren wir, ob wir GenKI-Bilder kennzeichnen müssen. Das wird auch bald in Gesetzen kommen weltweit mit teils empfindlichen Strafen. Schließlich war Fotografie einst dazu da, Realität abzubilden – doch mit CGI, Bildbearbeitung und digitalen Looks verschwammen Wahrheit und Manipulation längst.

Mit meinen freien Arbeiten meine ich eine möglichst direkte Herangehensweise. Ein Beispiel: Ich drucke gerade ein Schwarz-Weiß-Foto aus Kapstadt, nur eine Rettungsschwimmerin und ich am Strand. Kein monatelanger Look-Feinschliff, kein stundenlanges Retuschieren – es war einfach fertig, weil es nichts anderes brauchte.

Wir planen gerade einen Vortrag darüber, warum junge Leute wieder auf Film fotografieren, während ältere das selten tun. Ich glaube, Echtheit und Authentizität haben heute wieder einen größeren Wert als vor 10 Jahren, als alles künstlich sein musste. Gleichzeitig überschätzen viele Unternehmen GenKI, weil Menschen nach Corona und digitaler Überflutung mehr denn je nach echten Erlebnissen suchen – nach Sand unter den Füßen, statt endlos vor Netflix zu hängen.

Thomas Berlin: Es gibt diesen Jürgen–Teller–Look, bei dem es wirkt, als hätte er einfach abgedrückt und den Film entwickeln lassen – das strahlt eine gewisse Authentizität aus.

J. Konrad Schmidt: Ja, authentisch ist das schon, aber man muss die zeitliche Einordnung beachten. Jürgen Teller fotografierte so, als das noch niemand tat. Sein Stil galt damals als sehr roh, zufällig, ungekünstelt, schmutzig – es wurde nicht als ernsthafte Fotografie wahrgenommen - Bis er seinen Durchbruch hatte. Heute kaufen sich junge Leute für teures Geld genau diese Kamera, um seinen Look nachzuahmen. Dabei ist das ein Widerspruch: Junge Leute sollten nicht nostalgisch sein.

Allerdings nutzen sie Analogfotografie heute anders – als Beweis für das, was wirklich passiert ist, nicht als Provokation. Das ist keine Kritik, sondern eine Beobachtung: Für viele reicht dieser Ansatz bereits als Kunstform. Doch die Frage bleibt: Ist ein echtes Foto automatisch ein gutes Foto? Gerade in Berlin wird technische Unperfektheit oft als Stil verkauft - Was nicht dazu führt, dass bessere Bilder gemacht werden, Im Gegenteil.

Thomas Berlin: Oft erlebe ich, dass ein aus meiner Sicht schlechtes Bild – ohne interessante Bildgestaltung – allein durch die Tatsache, dass es analog ist, in der Wahrnehmung aufgewertet wird.

J. Konrad Schmidt: Oder ein Bild mit schlechter Bildgestaltung wirkt für viele besonders echt. Sobald es aber eine durchdachte Komposition hat, erscheint es zu gewollt – also nicht mehr authentisch. Es muss aussehen, als wäre es halb zufällig entstanden, damit man es als „echt“ wahrnimmt.

Jetzt übertragen wir das mal: Wie bringt man diese Glaubwürdigkeitsschwelle einer GenKI bei, um damit Lackfarbe, Autofelgen oder Apothekenprodukte zu verkaufen? Das funktioniert nicht. Denn GenKI und Algorithmen tendieren dazu, nur das Mittelmaß im Mittelmaß im Internet von gestern zu finden – aber Mittelmaß ist keine Marketingstrategie.

Wir erleben einen interessanten Widerspruch: Einerseits suchen alle nach Authentizität, andererseits ist alles jederzeit verfügbar und schnell machbar. Das macht unsere Zeit für Fotografen besonders herausfordernd.

Thomas Berlin: Wenn KI nur aus bestehendem Wissen schöpft und es nach bestimmten Prompts neu formt, ist dann Innovation überhaupt möglich?

J. Konrad Schmidt: Das ist eine Definitionsfrage. Nach 190 Jahren Fotografie: Ist das Zusammensetzen von Erinnerungsfragmenten in unserem Kopf zu einem neuen Foto individuell? Oder unterscheidet sich das von einer GenKI, die Bildfragmente zu einem neuen Bild kombiniert? Ist uns eigentlich bewusst, dass wir ein reicheres visuelles Gedächtnis haben als ein sprachliches Gedächtnis? Diese Sprache tragen wir jeden Tag unbewusste mit uns herum und Fotografen spielen eben damit, weil alle es lesen können…

Technisch betrachtet ist jedes GenKI-Bild nur ein Blick in das Internet von gestern – und dieses Internet ist wohl der gigantischste Müllhaufen des Universums, voller Dinge, die niemand in einem Datensatz haben will. Spannend wird es, wenn GenKI-Modelle heruntergeladen und ohne politische Einschränkungen genutzt werden. Das öffnet eine dunkle Tür, aus der noch viel Unsinn kommen wird. Der vermutlich noch harmloseste Teil dieses Wahnsinns ist GenKI-Pornografie.

Aber eines wird GenKI nicht ändern: Menschen müssen mit Menschen kommunizieren. Und diese Aufgabe wird immer bleiben.

Thomas Berlin: Ein Gedankenexperiment: Angenommen, eine GenKI wird ausschließlich mit deinen „HÔTEL NOIR”-Bildern und deiner Arbeit trainiert. Sie erzeugt dann Bilder, die nicht mehr von deinen eigenen zu unterscheiden sind. Würde dich das als dritter Betrachter stören? Hätte das Bild für dich eine andere Wertigkeit, wenn es nicht von einem Menschen, sondern von einer GenKI geschaffen wurde – obwohl es visuell genauso gut ist?

J. Konrad Schmidt: Jetzt ist genau das passiert, was auch viele Firmen gerade denken. Nur weil man ein trainiertes Model hat, hat man keine Idee… Ich bringe es auf den Punkt: Mich würden solche Bilder nicht interessieren. Denn der entscheidende Unterschied ist, dass bei meinen Bildern der Betrachter spüren kann, dass jemand im Raum war. Und das die Menschen echt sind.

Es gibt Aufnahmen in „HÔTEL NOIR”, bei denen die Leute denken: Verdammt, er war wirklich da, er hat das Foto gemacht. Wenn eine GenKI dasselbe Bild erzeugen würde, wäre niemand im Raum gewesen – weder ich noch die Person, die ich fotografiere. Und sobald ich weiß, dass weder die Szene noch der Mensch echt ist, verliert das Bild für mich jede Bedeutung. Der visuelle Effekt oder das Endergebnis interessieren mich dann nicht mehr, weil nichts davon real war. Dann geht es um Technik Bedienung, nicht um Beziehung, Bekanntschaft, Kollaboration und Inspiration.

Der wahre Reiz liegt darin, dass etwas zwischen Menschen entsteht. Letzte Woche in der Schweiz traf ich jemanden für „HÔTEL NOIR III”. Das hätte man nicht planen oder sich ausdenken können. Wir machten anfangs ein Foto, aber sie fühlte sich zu steif, zu viel Pose. Also haben wir das Konzept komplett umgeworfen. Dabei entstanden Bilder, die ich mir vorher nicht hätte ausmalen können – und genau das ist der Punkt. Kreativität passiert zwischen Menschen. Wenn das fehlt, ist es für mich als Betrachter irrelevant.

Hotel Noir

Thomas Berlin: Das kann ich gut nachvollziehen, mir geht es genauso. Ich dachte dabei an mein Gespräch mit Vincent Peters, der seine Eisbergtheorie vertritt: Ein Bild ist nur die Spitze des Eisbergs – das erst ganz am Ende von etwas entsteht. Davor passiert eine Menge, die man nicht direkt im Bild sieht, die aber zur Entstehung dazugehört.

Für mich hat ein Bild eine andere Wertigkeit, wenn ich weiß, dass es in diesen unsichtbaren Kontext eingebunden ist.

J. Konrad Schmidt: Ja, das stimmt.

Thomas Berlin: Bevor wir über dein Buch sprechen – was macht für dich ein gutes Bild aus, unabhängig von deiner eigenen Arbeit?

J. Konrad Schmidt: Wenn ich Fotografie von anderen betrachte, suche ich oft unbewusst eine gewisse „Balance der Massen” im Bild – wenn die fehlt, spricht es mich nicht an. Außerdem konsumiere ich wahrscheinlich ungesund viel Fotografie. Ich lebe mit Tausenden Fotobüchern – ein wandelndes Lexikon, wer was wann gemacht hat.

Was ist ein gutes Bild? Es sollte visuell stark sein und etwas Interessantes zeigen. Aber das Thema muss mich auch interessieren – ein technisch perfektes Foto von Operationsbesteck beeindruckt mich nicht. Jacques Schumacher sagt immer: „Das gute Bild meldet sich von selbst“. Das erlebe ich bei der Sichtung meiner „HÔTEL NOIR”-Negative: Man blättert durch und erkennt sofort die starken Bilder.

Aber es geht nicht nur um einzelne gute Bilder, sondern darum, was sie zur gesamten Arbeit beitragen. Im zweiten Buch habe ich gezielt Fotos gemacht, die Lücken im Spektrum schließen. Ein gutes Bild kann auch ein ergänzendes Element sein – vielleicht nicht spektakulär an sich, aber essenziell für das Gesamtwerk. Dazu gehören auch mal leere Seiten, Unschärfen, Schatten – Dinge, die dem Werk Tiefe und Atmosphäre verleihe. Dem Auge eine Pause geben. Es ist wie ein Album eines Musikers. Mehr als nur eine Hit-Single.

Thomas Berlin: Auf jeden Fall sollte ein Fotobuch mehr als nur eine Best-of-Sammlung von Bildern sein, sondern auch Bilder enthalten, die zusammen mit den Hauptbildern eine Stimmung unterstützen oder transportieren.

J. Konrad Schmidt: Wenn du mich jetzt nach dem Best of fragen würdest, dann würden sicherlich einige Bilder im Buch fehlen, aber es geht eben um das Gesamtwerk.

Thomas Berlin: Das ist ja gerade das Spannende an guten Fotobüchern, dass sie das schaffen und eben nicht nur wie Museumskataloge sind.

J. Konrad Schmidt: Genau.

Thomas Berlin: Wann bist du mit deiner Arbeit zufrieden?

J. Konrad Schmidt: Ich arbeite nur, wenn ich das Gefühl habe, dass etwas Gutes entstehen könnte. Wenn dieses Gefühl fehlt, passiert es einfach nicht. Gerade bei analoger Fotografie gibt es viele Unwägbarkeiten – allein die Negative sauber nach Hause zu bringen, ist schon ein Erfolg. Wenn der Kontaktbogen gut aussieht, bin ich zur Hälfte zufrieden. Der zweite Teil der Zufriedenheit kommt, wenn aus einer Nacht oder einem Shooting ein Bild entsteht, bei dem ich sofort weiß: Das muss ins Buch.

Thomas Berlin: Schnelligkeit ist etwas anderes …

J. Konrad Schmidt: Wenn ich den Menschen erkläre, wie viel Zeit und Sorgfalt mein analoger Prozess erfordert – dass ich die Filme nach München zum entwickeln schicken muss, scannen und sorgfältig bearbeiten muss – sind viele genervt, weil es nicht sofort auf Instagram landet. Doch für mich geht es um mehr als schnellen Content. Es geht darum, dass ein Bild Bestand hat.

Gleichzeitig merke ich eine wachsende Distanz zwischen mir und meinen Motiven. Viele Menschen verstehen nicht, warum ich sie fotografieren möchte – sie trauen meiner Anfrage nicht oder halten sie für zu groß für sich selbst. Währenddessen lassen sich andere ständig für belanglosen Social-Media-Content ablichten. Da frage ich mich oft: Warum wollen die Menschen sich photographisch so unterfordern?

Man merkt wirklich, wie die Leute so ein Online-Alter-Ego entwickeln, das nur noch daraus besteht, was wann wie irgendwo auf Instagram online ist. Und wenn es nicht instant postbar ist, ist es uninteressant. Aufmerksamkeits-Ökonomie und alles was damit einher geht…

Hotel Noir

Thomas Berlin: Dein Buchprojekt läuft nun seit 15 Jahren. Ist es für dich ein Lebensthema? Man hält so lange nur durch, wenn ein tiefer Bezug dazu besteht.

J. Konrad Schmidt: Ja, definitiv. Aber es geht nicht nur um die Zeit, sondern auch um den Aufwand. 1100 Rollfilme kaufen, entwickeln, Kontaktbögen anfertigen und alles scannen, archivieren – das ist ein enormer Aufwand. Natürlich könnte ich es mir einfacher machen, etwa mit einer digitalen LEICA M-Monochrom. Doch es geht nicht nur um Schwarz-Weiß, sondern um die gesamte analoge Arbeitsweise.

Thomas Berlin: Warum machst du das analog und nicht mit der LEICA M-Monochrom?

J. Konrad Schmidt: Die ganz blöde Antwort ist: Zerstreuungskreisdurchmesser. Es gibt keine digitalen Chips in meinem Aufnahmeformat… Das Lustige ist, ich hab das damals angefangen, WEIL es noch nicht digital ging. Ich fotografiere auf 4000 ASA auf Film. Ohne Push. Das ging 2010 digital nicht. So gar nicht…

Thomas Berlin: Ohne Push?

J. Konrad Schmidt: Vor 15 Jahren nicht, da gab es nur CCD-Chips, da war nach 400 ASA Schluss. Und das heißt, ich habe zu einer Zeit angefangen, das analog zu machen, als es digital nicht ging. Heute geht das alles. Heute ist die Antwort auch einfach: Natürlich kann ich das heute digital machen. Vor 15 Jahren ging das nicht. Aber diese Unschärfe, die diese riesigen Negative machen, das ist ein ganz großer Teil des Looks. Und die Mittenkontraste, die der Film macht, das kriegst du digital nicht hin.

Thomas Berlin: Auch nicht im Mittelformat mit der Leica Monochrom und einem Noctilux mit Blende 0,95?

J. Konrad Schmidt: Nein, Blende allein macht für mich keinen Unterschied. Außerdem arbeite ich kaum mit 50er-Objektiven, sondern fast ausschließlich mit Weitwinkel. Aber darum geht es eigentlich nicht allein – es geht um die grundsätzliche Einstellung zur Fotografie. Es macht einen großen Unterschied, wie man durch die Kamera auf jemanden zugeht. Die Körperhaltung verändert alles.

Thomas Berlin: Durch den Lichtschachtsucher hat man keine direkte Verbindung zur Person.

J. Konrad Schmidt: Ja, genau. Wichtiger als die Technik ist meine Körpersprache während des Fotografierens. Ich glaube, das macht meine Bilder weniger bedrohlich.

Wenn ich digital fotografieren würde, hätte ich noch ein ganz anderes Problem: Ständig wollen alle sofort das Ergebnis sehen. „Lass mal gucken!“, „Mach noch eins, das sieht dick aus!“, „Vielleicht so rum?“ – das lenkt ab. Ich will das nicht. Beim analogen Fotografieren müssen die Menschen mir vertrauen. Sie wissen nicht sofort, wie das Bild aussieht – und genau das macht mich freier in meiner Arbeit.

Ich will nicht das typische „Entschleunigungs-Argument“ bringen, aber es ist einfach eine andere Atmosphäre. Film bringt eine andere Ruhe und Konzentration in den Prozess. Ich habe das auch bei Drehs erlebt, die auf 35mm-Film stattfanden. Da ist jedem klar: Jeder Take zählt. Es gibt kein unendliches Wiederholen, kein sinnloses Drauflosknipsen, weil es ja nichts kostet…

Thomas Berlin: James Bond wird ja immer noch auf Film gedreht.

J. Konrad Schmidt: Nicht nur Bond… Halb Hollywood arbeitet weiterhin mit Film. Und das nicht ohne Grund – nur sind die Gründe oft ganz andere, als man von außen denkt.

Thomas Berlin: Der Look ist sicherlich ein Aspekt.

J. Konrad Schmidt: Christopher Nolan ist ein gutes Beispiel. Er dreht auf 70mm – genau das Negativformat, das ich auch nutze, mit fast demselben Seitenverhältnis, etwa 6:7.
Für Oppenheimer hat er sich von Kodak spezielles Filmmaterial anfertigen lassen: einen horizontal durch die Kamera laufenden Schwarz-Weiß-Film in 70mm. Das Farbmaterial gab es bereits, aber für die Schwarz-Weiß-Sequenzen musste eine eigene Lösung gefunden werden. Kodak hat geliefert.

Der Grund dafür? Neben der Ästhetik spielt auch die Unschärfe eine Rolle. Sie konnten nicht einfach die Optik noch weiter öffnen, um noch mehr Licht einzufangen – das ging technisch nicht. Aber sie wollten diesen speziellen Mittelformat-Look, der sich dann im Kino deutlich zeigt. Ich habe Oppenheimer in Berlin in einer 70mm-Projektion gesehen – das war unglaublich. Wenn man bedenkt, wie klein das eigentliche Bildformat bei einem herkömmlichen Kinofilm ist, vor allem wenn man die Tonspur abzieht, dann ist der Qualitätsunterschied enorm. Statt eines kleinen Hochformatausschnitts nutzen sie hier die volle Breite – satte 7 cm Film. Das ist absurd viel mehr Fläche und damit auch viel mehr Detail.

Aber letztendlich geht es nicht nur um technische Perfektion. Es geht um den Charakter des Films, um die Art, wie er das Bild darstellt. Es ist nicht besser oder schlechter als digitale Formate – aber es ist anders.

Thomas Berlin: Ich glaube, ich muss den Film noch ein zweites Mal sehen, dann mit ganz anderen Augen.

J. Konrad Schmidt: Ja, probier es aus. Die Verkleinerung eines digitalen Projekts mag visuell ähnlich wirken, aber wenn du eine echte 70mm-Projektion siehst, dann verstehst du den Unterschied. Du schaust durch echten Film – das ist im Prinzip ein Diafilm – und das sieht man. Das Filmkorn ist das originale Korn des Films, nicht irgendein digital simulierter Effekt nach einem Scan und nach der Kompression. Das ist nerdig, aber beeindruckend.

Es hat Millionen Dollar extra gekostet, Oppenheimer auf 70mm zu drehen. Kodak musste eigens eine Schwarz-Weiß-Variante entwickeln. Und genau hier liegt ein Punkt, der typisch deutsch ist: Die Diskussion dreht sich oft nur um Kosten. Digital vs. Analog? GenKI? Es geht immer nur darum, was billiger ist. In den USA wird GenKI genutzt, um kreativen Output besser zu machen. Bei uns nur, um Kosten zu sparen. Aber Oppenheimer war kein billiges Projekt – im Gegenteil. Und ich behaupte, wenn man mein Buch in die Hand nimmt, dann versteht man, warum dieser Aufwand Sinn macht.

Thomas Berlin: Also sind die Gründe für deine analoge Arbeitsweise der andere Prozess bzw. die Interaktion mit dem Model und zusätzlich auch der Look?

J. Konrad Schmidt: Ich weiß nicht, ob das von außen so klar erkennbar ist, aber ich glaube, beides macht die Arbeit besser. Und eine digitale Datei auf den Look meines Buches zu trimmen, wäre extrem aufwendig. Ich habe es selbst mit verschiedenen Methoden versucht, aber digitale Schärfe ist eine völlig andere. Moderne Digitalkameras sind einfach zu perfekt. Die Optiken sind viel zu gut, das Bild ist viel zu scharf – gerade für Porträts. Es fehlt der Charakter. Und genau davon wollte ich weg.

Thomas Berlin: Kommen wir zurück zum gedruckten Bild, das uns beiden am Herzen liegt. Du machst Ausstellungen und Fotobücher. Was fasziniert dich an Fotobüchern im Vergleich zur digitalen Präsentation?

J. Konrad Schmidt: Es gibt viele Aspekte. Erstens: Eine Ausstellung kann nie das gesamte Werk zeigen – aus Platz- und Kostengründen. Ein Buch hingegen erlaubt eine viel umfassendere Darstellung einer fotografischen Position.

Zweitens – und das meine ich mit einer gewissen Boshaftigkeit: Ich will manchmal sehen, wie viel Konsequenz jemand wirklich in ein Buch steckt. Viele Fotografen schaffen es nicht, ihre gute Arbeit in einem wirklich herausragenden Buch umzusetzen. Der letzte Schritt kostet Geld, Zeit und Nerven – und viele sparen genau dort. Das Ergebnis? Eine eigentlich starke Arbeit erscheint in einem mittelmäßigen Buch. Und das ist so schade.

Denn der Eindruck, den das fertige Buch hinterlässt, färbt auf die Wahrnehmung der Arbeit ab. Wenn es schlecht gedruckt ist, auf billigem Papier oder lieblos gestaltet, dann leidet das Gesamtbild. Ich verstehe jeden, der aus finanziellen oder anderen Gründen Abstriche machen muss – aber ich wollte genau das vermeiden. Und gute Gestaltung muss nicht teuer sein.

Wenn man 2025 ein Fotobuch macht, muss es so gut sein, dass es Print überhaupt rechtfertigt. Der BFF Hall of Fame Fotograf Christian von Alvensleben stellt immer die Frage: „Braucht es das?“ Und oft lautet die ehrliche Antwort: Nein, eigentlich nicht. Aber wenn es sein muss, dann richtig. Denn sonst macht Print in unserer Zeit keinen Sinn mehr.

Thomas Berlin: Aber genau deshalb – wenn es sein muss, um deine Worte aufzugreifen – ist ein Fotobuch doch eine viel sinnlichere Auseinandersetzung mit Bildern als der schnelle digitale Konsum auf dem Smartphone, oder?

J. Konrad Schmidt: Ja, und genau da liegt mein Punkt. Ich versuche bewusst, meine Arbeit für das Buch komplett vom Internet fernzuhalten. Ein zentraler Grund dafür – und das meine ich jetzt wirklich in Bezug auf Männer – ist, dass ein Großteil der Fotos im Internet nicht legal dort gelandet ist. Wenn man sich das einmal bewusst macht, ändert sich der Blick darauf radikal. Viele Bilder, die wir online finden, wurden ohne Zustimmung der Modelle auf anderen Plattformen hoch geladen. Wir kennen weder den Fotografen noch die abgebildete Person, aber Hauptsache, das Bild sieht gut aus und ist leicht verfügbar. Das ist rechtlich und persönlich eine Katastrophe. Und als Gesellschaft sind wir in dieser Frage völlig gespalten und unehrlich.

Ich mache es mir bewusst schwer damit – auch finanziell. Ich könnte meine Bücher viel einfacher verkaufen, wenn ich sie ins Netz stellen würde. Aber jetzt kommt das Entscheidende: Ich glaube, es geht gar nicht mehr anders. Viele der Menschen, die ich fotografiere – Diplomatinnen, Anwältinnen, Psychologinnen – könnten durch die öffentliche Verbreitung dieser Bilder ihren Job verlieren. Und das in unserer angeblich so offenen Gesellschaft in einem Land, dass der Welt Freiheit lehren will…

Wir erzählen Frauen, dass sie heute alles dürfen, aber in Wahrheit ist das oft eine ganz andere. Sie dürfen eben nicht alles, zumindest nicht ohne Konsequenzen. Für mich ist es wichtig, einen sicheren Raum zu schaffen. Ein Ort, an dem Menschen Dinge tun können, die sie online nie tun würden – und trotzdem bereit sind, mir zu vertrauen und eine Einwilligung zu geben. Das ist ein völlig unterschätzter Aspekt in der Fotografie.

Denn seien wir ehrlich: Es ist leicht, schöne Menschen schön zu fotografieren. Das bringt Klicks, Likes, Sichtbarkeit. Der Algorithmus belohnt genau das. Aber was ist das Geschäftsmodell dahinter? Klicks zahlen keine Miete. Das Problem ist, dass das Internet unsere Inhalte systematisch missbraucht. Auf Instagram ist es völlig egal, was du machst – du wirst nie erfolgreicher sein als weiße Frauen im Bikini. Sie bekommen nachweislich 54 % mehr Aufmerksamkeit als alles andere. Das ist kein Zufall. Der Algorithmus wurde von Männern gebaut, um genau diese Inhalte nach oben zu pushen.

Viele Frauen wissen das und nutzen es für sich – das ist völlig in Ordnung. Aber mir war klar: Ich will nicht Teil dieses Systems sein. Ich will keine Aufmerksamkeit von Leuten, die nur konsumieren, aber nie bereit sind, für Fotografie zu bezahlen. Ich verkaufe letztlich ein Buch – ich investiere Unsummen in all das, ins Labor, in die analoge Qualität. Und dann stellt sich die Frage: Wie will ich das vor mir selbst rechtfertigen? Wie finanziere ich meine Arbeit, wenn ich mich dieser digitalen Maschinerie verweigere? Das sind Fragen, mit denen ich mich auseinandersetzen muss – und mit denen sich vielleicht die gesamte Fotografie auseinandersetzen sollte.

Ausstellung Mathildenhöhe, Darmstadt (Deutschland), 2025.

Thomas Berlin: Kommen wir direkt zu deinen Büchern. Dabei fallen mir spontan Begriffe ein wie Ästhetik, Erotik, Fetisch, Intimität, Vertrauen. Sind das Attribute, die du dafür passend findest, oder wie würdest du das gegebenenfalls erweitern?

J. Konrad Schmidt: Ja, das hast du schon gut beschrieben. Ein Aspekt ist auch, dass Menschen im Alltag ein bestimmtes öffentliches Image haben, privat aber ganz anders sind. Es geht um Alter-Egos. Im Buch gibt es zum Beispiel eine französische Bankerin – du würdest sie nie mit dem Bild in Verbindung bringen, das dort von ihr zu sehen ist. Aber es ist dieselbe Person. Das macht es spannend. Es geht um Selbstverwirklichung, um Vertrauen – aber auch darum, wie ich das verpacke. Die Qualität des Ergebnisses spielt eine entscheidende Rolle. Auf vielen Bildern siehst du, dass ich mit fast chirurgischer Präzision an dem vorbeifotografiert habe, was alle gerne gesehen hätten. Jeder Schatten sitzt genau dort, wo er sein muss – an den heiklen Stellen, wo er das Bild definiert, ohne zu viel preiszugeben. Das erkläre ich auch immer vor dem Shooting. Ich zeige den Beteiligten mein Buch und sage: „Hier, wenn da ein Schatten ist, ist es schwarz. Am Set sieht es vielleicht anders aus, aber im Buch bleibt es schwarz“. Das schafft ein interessantes Spiel zwischen Sichtbarkeit und Verhüllung.

Kennst du das Gefühl, wenn du das Licht ausmachst und deine Augen sich anstrengen, mehr zu sehen, als sie können? Genau dieses Gefühl haben viele, wenn sie das Buch anschauen. Nach dem ersten Buch bekam ich oft Rückmeldungen wie: „Das ist total krass.“ Vor fünf Jahren steckte noch jeder im HDR-Hype – alles musste maximal sichtbar sein. Dass ich mich damals traute, das halbe Bild in Schwarz versinken zu lassen, wurde als Wagnis betrachtet. Und genau das macht für mich den Reiz aus.

Thomas Berlin: Vor fünf Jahren ist mir das bei deinem ersten Buch auch aufgefallen, auch in Gesprächen mit anderen, die das gesehen haben. Der Kontrast bzw. das undurchdringliche Schwarz läge am Film, hörte ich damals.

J. Konrad Schmidt: (lacht) Das ist nicht der Film. Das ist Licht und Absicht. Das würde mit Film auch alles gehen, aber ich habe natürlich absichtlich das Licht weggenommen und ich habe es auch absichtlich mit dem Papier und mit dem Druckverfahren in einem rechnerisch schwer realisierbaren Kontrast ertränkt, damit es eben sooooo schwarz ist. Und lustigerweise ist das jetzt beim zweiten nicht mehr so eine Diskussion. Das war damals ganz interessant, weil dann alle, die mit HDR, Mehrfachbelichtung, Stativ und Photoshop arbeiteten, mir erklären wollten, wie sie noch Zeichnung unter die Couch kriegen. Das war für mich einfach nicht der Punkt. Es ist oft so, dass Leute versuchen, Dinge mit Technik totzuschlagen, um sie besser zu machen. Mit Technik wird es nicht besser…

Thomas Berlin: Wenn du zu viel zeigst, wird das Bild nicht besser, sondern vielleicht langweiliger?

J. Konrad Schmidt: Ja, der Fokus geht komplett verloren, und man überfrachtet das Bild mit Informationen. Was soll ich denn mit dem Teppich unter dem Sofa?

Thomas Berlin: Im Interview mit Greg Gorman sagte er mir sinngemäß: „Entscheidend ist nicht, was du in den Highlights noch siehst, sondern was du in den Schatten nicht mehr siehst.“ Dafür würde ich in deinem Fall zwei Gründe sehen: Einerseits den künstlerischen Aspekt, dass die Fantasie mehr angeregt wird und es im Kopf mehr arbeitet. Der zweite Grund ist, dass vielleicht die eine oder andere Protagonistin nicht alles zeigen möchte. Was hat überwogen? Oder war beides gleich wichtig?

J. Konrad Schmidt: Ich denke, beides. Das Interessante ist, dass es wirklich Frauen in dem Buch gibt, die gesagt haben: „Wir können alles machen, aber mein Gesicht darf nicht drauf.“ Dann gibt es Frauen, die sagen: „Mir ist das völlig egal, mach, was du willst.“ Und dann gibt es Frauen, die gesagt haben, sie wollen bestimmte Dinge auf keinen Fall zeigen, aber ihr Gesicht ist okay. Mir ging es eben darum, das Spektrum abzubilden - Alles mit dem gebührenden Respekt. Und eben auch – jetzt kommt wirklich der dritte Teil, der mir persönlich sehr am Herzen liegt wegen meiner eigenen Gesundheitsgeschichte. Ich habe natürlich auch versucht, und das werde ich im dritten Buch noch mal verstärkt machen, Frauen mit Versehrungen, Behinderungen und Krankheiten die Möglichkeit zu geben, Ihr sinnliches Leben zeigen zu können.

Thomas Berlin: Im zweiten Buch ist zum Beispiel eine Frau im Rollstuhl zu sehen.

J. Konrad Schmidt: Kristina Vogel, die Olympiasiegerin. Sie ist 17-malige Bahnrad-Weltmeisterin und Doppel-Olympiasiegerin. Deutschland hat 11 Millionen Schwerbehinderte mit Ausweis. Das ist jeder achte Mensch. Erstens: Wo sind die alle? Zweitens: Warum sehen wir sie nie? Wir sehen sie nur in Bildern im Zusammenhang mit Gleichberechtigung, Sport oder der Bundestagswahl – sonst nirgends.

Thomas Berlin: Da bringt man diese Menschen ungewollt in eine bestimmte Rolle – vor allem als Teil eines sozialen Themas und nicht unbedingt als jemand, der sein Leben selbstbestimmt genießt.

J. Konrad Schmidt: Genau das ist der Punkt. Es ging also ganz speziell darum, Aspekte zu betonen, die eine Krankheit zwar illustrieren, aber in einen Kontext eingebettet sind, der zeigt, dass es um weit mehr geht als eine bloße Reduktion auf Äußerlichkeiten. Das habe ich mein ganzes Leben lang erlebt, und es war mir ein großes Anliegen, dass sich diese Erkenntnis auch in meiner Arbeit widerspiegelt.

Der Inklusionsbegriff, den insbesondere die Stadt Berlin so gerne vor sich herträgt, ist in seiner derzeitigen Definition leider eine armselige Farce. Wir diskutieren Inklusion als Stadt, als Gesellschaft, als politische Landschaft fast ausschließlich im Zusammenhang mit Fremdsprache und Hautfarbe. Doch das war nie die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs. Inklusion bedeutet, dass jeder und jede im Rahmen seiner oder ihrer Möglichkeiten Teilhabe erfährt – und dann kommt eben noch etwas nach dem Komma. Aber genau dieser Punkt wird oft übersehen. Stattdessen wird der Fokus darauf gelegt, dass jetzt unbedingt eine Frau ausstellen muss oder dass jemand mit Flüchtlingsgeschichte beteiligt sein sollte.

Verstehe mich nicht falsch, das sind alles extrem wichtige Themen und jeder Fortschritt in all diesen Bereichen ist wichtig und sehr zu begrüßen, aber sie greifen zu kurz. Denn während diese Diskussionen geführt werden, geraten viele andere Menschen völlig aus dem Blickfeld. Sie finden in dieser Debatte schlicht nicht statt. Der Begriff der Inklusion wird heutzutage viel zu eng und oft sogar falsch verwendet. Und als Betroffener einer wirklich extrem seltenen Krankheit, weiß ich wovon ich spreche wenn ich sage, sehr sehr viel fällt hinten herunter…

Thomas Berlin: Meinst du damit, dass man den Inklusionsbegriff auf alle Gruppen beziehen sollte, die in der öffentlichen Darstellung marginalisiert sind?

J. Konrad Schmidt: Na ja, aber genau das ist das Problem. Wenn man den Inklusionsbegriff rein gesellschaftlich betrachtet und einfach alle Minderheiten im Land zusammenzählt, egal in welcher Hinsicht, dann kommt man auf ungefähr 73 % der Bevölkerung, die in irgendeiner Form einer Minderheit angehören. Und dabei sind die Armen Menschen im Land noch nicht einmal mitgerechnet. Das zeigt das Dilemma: Wenn man versucht, alle einzubeziehen, läuft man Gefahr, doch wieder jemanden auszuschließen. Und genau das ist eben keine echte Inklusion. Es ist ein unglaublich schwieriges Thema, auch politisch, besonders hier in der Stadt. Ich selbst habe diese extrem seltene Krankheit, die statistisch gesehen nur rund 300 Menschen von 82 Millionen Menschen in Deutschland betrifft. 300 von 82 Millionen – das ist so selten, dass es in keiner dieser großen Inklusionsdebatten eine Rolle spielt. Nicht mal in der Medizin spielt es eine Rolle. Es existiert gar nicht. Und wenn man Betroffene ist, dann blickt man ganz anders auf all das…

Thomas Berlin: Dann gibt es kaum Forschung, geschweige denn eine Entwicklung von Medikamenten?

J. Konrad Schmidt: Gar nichts gibt es, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Da wird schlichtweg nichts gemacht. Das bedeutet, ich habe aus erster Hand erfahren, wie es ist, wenn man bei all diesen Überlegungen immer hinten runterfällt. Ich hatte dazu einige aufschlussreiche Gespräche, unter anderem mit Jürgen Dusel, dem Bundesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung. Er setzt sich sehr engagiert dafür ein, dass in der gesellschaftlichen Debatte nicht nur sexuelle Minderheiten oder Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigt werden, sondern auch viele andere, oft übersehene Problematiken. Leider sind wir da als Gesellschaft oft nicht ehrlich genug. Und es ist eben auch alles viel komplexer, als man immer denkt.. Aber es ist so wichtig. Die UN-Behindertenrechtskonvention trat 2008 in Kraft - Deutschland hat unterzeichnet. Google mal die Fortschritte, die wir seit 2008 in dem Feld erreicht haben…

Genau das wollte ich auch in meinem Buch zeigen – ein möglichst breites Spektrum dessen, was Menschen widerfahren kann. Es gibt dort eine Frau mit Diabetes, eine andere mit einer Endometriose-Narbe, eine Rollstuhlfahrerin. Ich habe eine schwangere Frau in einem erotischen Fetisch-Kontext fotografiert – nicht als klassisches Babybauchfoto, sondern so, wie sie es selbst auslebt. Das war ihre Idee, nicht meine. Ich habe auch eine Frau mit amputiertem Bein fotografiert. All das sind Dinge, die in der Öffentlichkeit kaum sichtbar sind. Es passiert einfach nicht. Und genau das werde ich im dritten Buch noch weiter ausbauen. Diese Perspektive ist mir enorm wichtig, und ich freue mich über das Feedback, dass es genau so wahrgenommen wird – dass es in dem Buch ganz natürlich wirkt, als würde es einfach dazugehören, wenn man durch die Seiten blättert.

Interessant finde ich auch, dass viele Leute meine Arbeit mit Helmut Newton vergleichen. Ein Beispiel ist das Bild von Nadja Auermann, in dem sie an einem Mitsubishi Pajero lehnt. Sie hat nur ein Bein, aber es ist in diesem Bild verborgen. Doch genau das wollte ich 2025 nicht mehr tun. Wenn eine Frau im Rollstuhl sitzt, dann sitzt sie im Rollstuhl. Wenn jemand eine Prothese trägt, dann sieht man die echte Prothese. Alles, was man in meinen Bildern sieht, ist echt. ich tue nicht so… Nie…

Thomas Berlin: Welches Feedback hast du erhalten?

J. Konrad Schmidt: Ich höre aus den Rückmeldungen, dass mir viele sagen, dass sie sich nach dem Shooting so unkaputtbar gefühlt haben - unantastbar. Das Feedback, das ich bekommen habe, habe ich mir erhofft, weil ich wirklich Jahre in das Projekt gesteckt habe. Aber wenn mir Frauen dann schreiben, dass ihnen niemand einfällt, der seit Helmut Newton so ein breites Spektrum von Weiblichkeit fotografiert hat, dann ist das schon eine echte Ehre, das einfach zu hören.

Thomas Berlin: Wenn du sagst, dass sich die Frauen hinterher besser fühlen, würdest du es als eine Art Empowerment-Thema beschreiben, das sich durch Deine beiden Bücher zieht? Also dass die Frauen sich bewusst dafür entscheiden mitzumachen, um sich anders zu sehen oder sich danach stärker zu fühlen?

J. Konrad Schmidt: Ja, absolut, aber es geht auch darum, dass wir als Gesellschaft den Menschen zwar sagen, sie dürfen etwas – doch das bedeutet noch lange nicht, dass sie es auch tatsächlich tun oder ausprobiert haben. Für viele bleibt der Freiheitsbegriff erst einmal theoretisch, bis sie ihn wirklich leben oder erleben. Ein Beispiel dafür gibt es in meinem Buch: eine Frau, die hart arbeitet, immer versucht, alles richtig zu machen, auf dem Land aufgewachsen ist und stark von den normativen Vorstellungen der bürgerlichen Gesellschaft geprägt wurde. Trotz aller theoretischen Freiheit hat sie nie das Gefühl gehabt, wirklich frei zu sein oder sich ausprobieren zu können – weil der Raum dafür fehlt, weil die Inspiration fehlt oder weil manchmal einfach eine Person nötig ist, die die Chance gibt, sich zu trauen.

Auf der anderen Seite gibt es in meinem Buch auch Frauen, bei denen das komplette Gegenteil der Fall ist. Da habe ich vielleicht 5 % von dem fotografiert, was sie tatsächlich machen – in Wirklichkeit sind sie noch viel wilder unterwegs.

Thomas Berlin: Weil Menschen in der Regel sowieso mehrere Rollen spielen oder spielen wollen?

J. Konrad Schmidt: Ja, auf jeden Fall. Die Frage ist immer: Wie ehrlich sind wir als Gesellschaft damit? Ob wir die Menschen überhaupt in diesen Rollen sehen wollen oder nicht. Dass sie sie ausfüllen könnten, ist klar, aber ob sie es tun, ist eine andere Frage. Und ich habe auch so im Gespräch mit vielen Kolleginnen eher das Gefühl, dass wir immer so tun, als wären alle so frei, aber dass das eigentlich – im Vergleich zu früher – heute gar nicht mehr so frei ist.

Thomas Berlin: Früher hatte ich den Eindruck, dass eher die ältere Generation konservativ war, während die Jüngeren offener dachten. Heute scheint sich das zu verschieben – ein größerer Teil der jungen Leute wird wieder konservativer. Vielleicht hängt das, neben vielen anderen Dingen, auch mit Social Media zusammen. Wenn einem ständig gezeigt wird, was man alles nicht zeigen darf, weil es angeblich problematisch ist, dann verinnerlicht man das möglicherweise. Ich werfe das mal als steile These in unser Gespräch …

J. Konrad Schmidt: Ja, das ist sicherlich ein Aspekt. Ein Punkt ist, dass wir uns hier in Europa mittlerweile stark an ein amerikanisches Regelwerk anpassen – diese sogenannten Community Guidelines. Es sind deren Regeln, nicht unsere. Und wenn wir eigene hätten, würden sie vermutlich ganz anders aussehen. Die Ambivalenz der amerikanischen Medienkultur, die wir übernehmen mussten, ist auf jeden Fall bemerkenswert. Viele der Menschen, die ich für mein Buch fotografiert habe, hassen Instagram dafür, dass ihre Bilder ständig gelöscht werden. Aus amerikanischer Perspektive ist das aber völlig logisch.

Gleichzeitig hat man in den USA eine Gesellschaft, in der evangelikale Christen ein Frauenbild vertreten, das aus dem 19. Jahrhundert stammt – während das gleiche Land die größte Pornoindustrie der Welt beheimatet. Dieser Widerspruch ist verrückt. Und doch müssen wir uns hier in Europa an genau diese Regeln halten. Das macht die ganze Situation so absurd.

Thomas Berlin: Wenn wir die Situation nicht ändern können, müssen wir ja in der einen oder anderen Weise damit umgehen. Du zum Beispiel hältst dich ein Stück weit aus Social Media zurück, indem du deine Bilder gar nicht in den Wettbewerb um Likes stellst und sehr viele Werke überhaupt nicht ins Internet stellst.

J. Konrad Schmidt: Genau. Ich glaube nebenbei auch, dass bei Social Media die Displaygröße zu klein ist. Du kannst viele Fotografien, die die Menschheit produziert, die die Menschheit braucht, dort nicht zeigen, weil es auf 5 cm nicht funktioniert.

Thomas Berlin: Wenn das Bild etwas komplexer ist, dann geht das gar nicht mehr.

J. Konrad Schmidt: Deshalb wird es immer „einfacher“, immer flacher und immer gleichmäßiger ausgeleuchtet, damit es auf dem Handy funktioniert. Ich verstehe das alles, und für die Marken ist das in Ordnung. Ich glaube aber, dass viele der Fotos, die du in meinem Buch gesehen hast, auf 5 cm nicht funktionieren würden.

Thomas Berlin: Ein englischer Fotofreund sagt immer: „A framed picture on the wall has dignity.“ Das glaube ich auch, und deshalb gehe ich lieber in Ausstellungen oder schaue mir Bildbände an. Das ist viel besser als dieses Mäusekino auf dem Smartphone.

J. Konrad Schmidt: Ja, und gleichzeitig ist es nur ein kleiner Kreis, der das so sieht. Und die andere Seite ist ein Riesenpublikum, das nur mit dem Handy in der Hand unterwegs ist – ein Publikum, das mir andernfalls helfen würde, so ein Buch zu verkaufen. Das ist einfach so.

Thomas Berlin: Apropos Buch – eigentlich führen wir hier eine Insider-Diskussion, weil wir beide das Buch kennen, aber nicht alle Leser des Interviews. Auch wenn ich vorhin ja schon einige Attribute aus meiner Sicht erwähnt habe, wäre es gut, wenn du auf den Inhalt eingehen würdest.

J. Konrad Schmidt: Ich würde weniger die einzelnen Bilder beschreiben, sondern vielmehr das Projekt als Ganzes. Die letzten 15 Jahre habe ich in Städten wie Los Angeles, Tokio, Paris, Amsterdam, Mailand, Venedig, Hamburg und Berlin verbracht – immer auf der Spur einer besonderen Gemeinschaft von Frauen. Nicht alle, aber viele von ihnen sind untereinander vernetzt, und viele haben sich bewusst für ein sinnliches Leben entschieden.

Was ich mit meiner Arbeit erreichen wollte, ist das eine. Aber viel entscheidender ist für mich, was ich miterleben durfte. Ich hatte das Privileg, mit meiner Kamera an sehr besonderen Momenten teilzunehmen. Über Jahre hinweg habe ich diese Menschen mit meiner Mittelformatkamera auf Schwarz-Weiß-Film begleitet – mal punktuell, mal über längere Zeiträume. Oft war ich bei Abendveranstaltungen dabei, die entweder ich selbst oder die Frauen organisiert haben.

Thomas Berlin: Neben den Bildern lässt du Frauen aus der Szene textlich zu Wort kommen.

J. Konrad Schmidt: Ja, es gibt drei kurze einordnende Texte dazu. Der erste Text ist von einer Wissenschaftlerin aus Berlin, Maria Uebele, die in England Fotografie studiert hat und zu „Gender inclusive narratives in kink” geforscht hat. Sie hat einen Text geschrieben, warum es für Frauen interessant sein kann, so ein Foto machen zu wollen. Der zweite Text von Maire aus New York/Paris beschreibt die Herkunft von Shibari-Techniken, die wir im Buch fotografiert haben – einfach ein bisschen einordnend aus weiblicher Perspektive, warum das eine sinnliche Erfahrung ist.

Thomas Berlin: Im Buch gibt es Bilder von Marie Sauvage. Hast du mit ihr zusammengearbeitet?

J. Konrad Schmidt: Ja, seit mittlerweile sieben Jahren. Wir waren zusammen in Tokio, New York, London, Mailand, Paris, Venedig, Berlin, Florenz, etc. – eigentlich überall. Deshalb war es mir auch so wichtig, dass ein Text von ihr im Buch enthalten ist. Sie ist momentan die bekannteste Frau in dieser Szene und die Einzige, die wirklich ein großes Publikum erreicht.

Der dritte Text stammt von Lisa aus Hamburg, einer Erotik-Autorin. Ihr Beitrag nimmt eine ganz besondere Perspektive ein: Er klingt, als würde eine Frau aus dem Buch nach oben direkt zum Betrachter sprechen. Das ist eine spannende Umkehrung, weil es nicht darum geht, dass jemand über die Bilder schreibt – sondern dass eine der abgebildeten Frauen selbst zu Wort kommt und den Blick des Betrachters reflektiert. Sie stellt Fragen wie: „Na, wie fühlt sich das für dich an, wenn du das anschaust?“

Diese Perspektive bricht die klassische Trennung zwischen Betrachter und Abgebildetem auf. Die drei Texte im Buch ergänzen sich deshalb sehr gut.

Thomas Berlin: Das ist auch eine interessante Alternative, auf ein Vorwort zu verzichten und keinen Kunstkritiker darum zu bitten.

J. Konrad Schmidt: Ja, genau das wollte ich vermeiden. Natürlich hätte ein bekannter Kritiker oder Kurator vieles erleichtert – besonders, wenn es darum geht, das Buch in Galerien zu bringen oder für Ausstellungen zugänglich zu machen. So etwas kann eine Eintrittskarte sein. Aber für mich fühlte es sich einfach nicht richtig an, eine männliche Stimme dafür zu wählen. Das ist sicher auch ein Stück weit eine Frage der Zeit, in der wir leben. Ich finde es viel spannender, wenn die Menschen selbst sprechen, die tatsächlich Teil dieses Projekts sind – statt dass ich oder jemand Außenstehendes das kommentiert. Marie, Lisa und Maria sind unmittelbar mit dem, worüber sie schreiben, verbunden. Deshalb war es mir wichtig, das Buch nicht nur aus meiner Perspektive zu gestalten, sondern ihm eine vielschichtige, reflektierte Dimension zu geben. Die Arbeit hat „Layer” und das ist das aller Wichtigste.

Thomas Berlin: Habe ich das vorhin richtig verstanden – die Frauen sind weltweit untereinander vernetzt?

J. Konrad Schmidt: Ja, genau. Wobei man sagen muss, dass es unterschiedliche Formen der Vernetzung gibt. Zum Beispiel gibt es eine Londonerin, die ein paar Jahre älter ist als die meisten anderen. Ganz liebevoll und mit großem Respekt gesagt, ist sie so etwas wie die Big Mama der Szene in London. Jeder kennt sie, sie hat unzählige Followerinnen im echten Leben und wird von vielen als Ikone gefeiert. Sie ist die Muse von Nick Knight. Ein wahrlich unglaublicher Mensch. Ganz toll.

Viele der Frauen kennen sich persönlich, andere wiederum nur online, aber sie folgen sich oft schon seit Jahren und arbeiten gelegentlich zusammen – manche modeln auch gemeinsam. Der Großteil von ihnen sind keine professionellen Models. Die meisten kommen aus völlig anderen Bereichen: Sie sind Diplomatinnen, Anwältinnen oder haben andere Berufe, die mit dem Modeln nichts zu tun haben. Natürlich gibt es ein paar Ausnahmen, Frauen, die das hauptberuflich machen. Aber das war nie der Fokus meiner Arbeit. Es ging nicht darum, Models zu fotografieren – es ging um etwas ganz anderes.

Diese Londonerin war auch schon im ersten Buch sehr präsent. Ihre Beteiligung war ein echter Gamechanger, weil sie mir eine Art Reputation verschafft hat. Als sie dazukam, wurde es einfacher, große bekannte Namen für das Projekt zu gewinnen. Bis zu diesem Punkt musste ich das Vertrauen erst einmal selbst aufbauen. Denn sie arbeitet wirklich nicht mit Jedem. Sie hat mit allen großen Namen gearbeitet – sie muss das also nicht tun.

Aber wenn sie einem Fotografen gewissermaßen die Absolution erteilt, dann öffnet das viele Türen. Es schafft Vertrauen. Bei Marie Sauvage ist es inzwischen ähnlich. Und genau das meine ich, wenn ich von Zeit spreche. So etwas kann man nicht in ein paar Monaten aufbauen. Das ist ein Prozess, der Jahre dauert – in meinem Fall 15 Jahre.

Hotel Noir

Thomas Berlin: Der Look Deiner Bilder: Der Titel „HÔTEL NOIR” – im ersten Moment habe ich an Paris gedacht, was sicher auch eine Rolle spielt, und an das französische Genre Film Noir. Natürlich gibt es Parallelen, etwa die dunkle Ästhetik. Aber der klassische Film Noir ist oft sehr fatalistisch, während deine Protagonistinnen selbstbestimmt wirken. Insofern sehe ich hier einen Kontrast zum klassischen Film Noir. Dennoch scheint das Noir im Titel eine Bedeutung zu haben. Ist es einfach die Dunkelheit?

J. Konrad Schmidt: Ja, das Noir bezieht sich eher auf die Art, wie ich das Licht einsetze. Das ist sicher die Parallele zum Film Noir. Ich wollte es aber nicht einfach Schwarz-Weiß nennen – das wäre mir zu platt gewesen. Dennoch ist meine Arbeit insgesamt sehr dunkel. Es geht mehr um Dunkelheit als um Licht. Ich habe sämtliche Fotos ausschließlich nachts gemacht. Das liegt zum einen daran, dass nachts alles anders ist als am Tag – es herrscht eine andere Atmosphäre, eine andere Energie. Zum anderen bin ich ohnehin ein Nachtmensch. Ich habe es schon immer geliebt, Dinge zu Zeiten zu tun, in denen andere es nicht tun.

Thomas Berlin: Die Nacht hat eine besondere Atmosphäre.

J. Konrad Schmidt: Genau. Man muss sich das einmal umgekehrt vorstellen: Sie sitzt in einem dunklen Raum, ein Lichtstrahl fällt auf sie – so grell, dass sie mich gar nicht richtig sehen kann. Es ist wie ein Scheinwerfer, der sie blendet, während ich im Schatten bleibe und aufpassen muss, dass nichts in die Kamera fällt. Das erzeugt eine besondere Stimmung – manchmal mit einer gewissen Melancholie oder Einsamkeit, aber nicht immer.

Die Idee ist, dass das Gesamtwerk beider Bücher als Einheit wahrgenommen wird. Ein durchgehender Farbcode zieht sich durch alle Bände, auch über die Cover. Damit habe ich mir selbst eine Herausforderung geschaffen, denn die Umsetzung war extrem aufwendig. Zum Beispiel das Vorsatzpapier: Lilanes Papier gab es nie viele und nach der Pandemie noch viel weniger. Die wenigen verbliebenen Farben waren so weit vom gewünschten Ton entfernt, dass sie nicht funktionierten. Also mussten wir Bögen drucken. Beim dritten Band mit dem Emerald-grünen Cover wird es genauso sein, weil das benötigte Papier schlicht nicht mehr existiert.

Diese Detailarbeit geht an die Grenzen dessen, was der Papiermarkt noch hergibt. Die Drucker haben uns ungläubig angesehen und gefragt: „Wie sollen wir das drucken?“ Aber ich wusste genau, wie es aussehen sollte. Also haben wir intensiv mit den CMYK-Codes experimentiert, Probedrucke angefertigt, gefaltet, bei Tageslicht und Normlicht geprüft – bis es endlich stimmte. Perfektion bedeutet, dass niemand die Mühe dahinter sieht – aber im Gesamteindruck spürt man sie.

Thomas Berlin: Das ist auch gut so. Es bringt dem Leser nichts, wenn er weiß, wie schwer der Prozess war – am Ende zählt nur die Wirkung. Das zweite Buch, und das ist keine Kritik, ist für mich keine Revolution, sondern eher eine gelungene Evolution. Welche Entwicklung ist im dritten Buch zu erwarten?

J. Konrad Schmidt: Ich habe im zweiten Band schon damit begonnen, aber im dritten möchte ich noch mehr bekannte Persönlichkeiten porträtieren – was natürlich eine Herausforderung ist. Außerdem gibt es einige Orte, die ich immer im Kopf hatte, aber noch nicht besucht habe. Die kommen definitiv dazu. Ich sehe meine Arbeit nicht in klaren Entwicklungsschritten. Für mich war das zweite Buch eine enorme Weiterentwicklung, technisch und inhaltlich. Aber langfristig verschwimmen diese Unterschiede. Es wird ein Werk.

Wenn man sich mit zeitlichem Abstand eine Werkreihe anschaut, erinnert sich kaum jemand daran, welches Bild in welchem Band erschienen ist – es wird zu einer Gesamtheit. So soll es auch hier sein: eine Werkgruppe mit verschiedenen Kapiteln, aber ohne scharfe Grenzen.

Ich weiß bereits, dass noch viel Unveröffentlichtes existiert. Der Vorteil ist, dass ich jetzt schon sehe, welche Bilder noch kommen. Meine aktuelle Vorauswahl für das dritte Buch umfasst etwa 394 Bilder – und es warten noch sieben Shootings im Labor. Ich werde sicher noch 20 weitere machen. Am Ende werde ich wieder rigoros kürzen müssen. Aber genau das ist der Reiz: die besten Bilder auszuwählen.

Thomas Berlin: Das erste Buch ist ausverkauft? Wie sieht die wirtschaftliche Seite aus?

J. Konrad Schmidt: Das erste ist ausverkauft, ja. Es gibt noch ein zwei „Special Editions” aber das war es dann. Das alles kostet in der Herstellung irgendwas im mittleren fünfstelligen Bereich. Und selbst wenn ich jetzt 700 Stück für 100 € verkaufe, sind die Shootings nicht bezahlt, sind die Filme nicht bezahlt, ist das Labor nicht bezahlt. Das ist sowieso alles ein Minusgeschäft. Ich verdiene damit nichts.

Thomas Berlin: Zu den Shootingkosten zählt u. a. auch die Modelgage, wenn es professionelle Models sind. Sophie la Sage habe ich z. B. wiedererkannt. Du shootest aber fast nur mit Leuten, die keine Models sind …

J. Konrad Schmidt: Genau. Sophie ist eine der wenigen, die das professionell machen.

Thomas Berlin: Vereinbart ihr, dass die Bilder nicht außerhalb deines Buches veröffentlicht werden?

J. Konrad Schmidt: Nein, die Abgebildeten können mit den Bildern machen, was sie möchten – aber ich selbst veröffentliche sie nicht außerhalb von Interviews wie diesen, Editorials, den Ausstellungen und den Büchern. Ich will nicht derjenige sein, der die Bilder verbreitet. Das sollen die Porträtierten selbst entscheiden. Mein Wunsch ist natürlich, dass sie erwähnen, dass das Bild aus meinem Buch stammt – aber das ist keine Pflicht.

Ich hatte einmal eine Frau, der das alles zu lange gedauert hat. Sie wollte die Bilder sofort posten. Da musste ich klarstellen: Wir machen hier keinen Content für Social Media. Ich bin kein digitaler Schnipselknipser, der Hochformat-Bilder für Instagram produziert, damit sie direkt in die Story passen. Das ist nicht mein Ansatz. Und das ist auch in Ordnung – wenn jemand das anders sieht, dann passt es eben nicht. Wer mitmacht, verpflichtet sich dazu, Teil dieses Buchprojekts zu sein. Es geht nicht darum, einfach ein JPG zu bekommen, sondern darum, in diesem Werk präsent zu sein. Bis dieser Punkt erreicht war, hat es eine Weile gedauert. Aber genau das macht den Unterschied: Es geht nicht um die schnelle Verfügbarkeit eines Bildes, sondern um die langfristige Bedeutung innerhalb des Buches.

Thomas Berlin: Das ist also eine sehr ausgeprägte Form der Zusammenarbeit.

J. Konrad Schmidt: Ja, absolut. Das entsteht auch, wenn ich das Buch persönlich mitbringe, signiere und den Beteiligten zeige: „Schau mal, das ist die Arbeit, um die es geht. So wird es gedruckt.“ Ich erkläre ihnen alles – vom Einband über das Papier bis hin zum Druck. Das Papier kommt aus Italien und gedruckt wurde es von der Frau, die auch die Helmut Newton Sumos gedruckt hat – die Grande Dame der Buchwelt. Alles super hochwertige, was nicht Steidl druckt, druckt sie. Der Druck ist der beste, den man bekommen kann, mit diesem tiefsten Schwarz.

Wenn man den Beteiligten diesen Kontext gibt, spielt Social Media plötzlich keine Rolle mehr. Es geht nicht darum, ein Bild irgendwo schnell zu posten, sondern Teil eines hochwertigen Buchprojekts zu sein – sich in diesem Werk neben all den anderen zu sehen. Das hat eine ganz andere Relevanz.

Thomas Berlin: Social Media wäre im Vergleich dazu ziemlich banal.

J. Konrad Schmidt: Genau. Ein gutes Beispiel ist die Diplomatin aus New York, die ich schwanger fotografiert habe. Sie hat die Bilder einfach für sich archiviert, als Teil ihrer persönlichen Geschichte. Sie verspürt überhaupt nicht den Drang, sie online zu stellen.

Thomas Berlin: Ihr habt also eine Form der Zusammenarbeit gefunden, bei der beide eine intrinsische Motivation haben – jenseits der reinen Content-Produktion.

J. Konrad Schmidt: Ja, genau. Ich wollte das Buch und die Ästhetik der Bilder als eigenständigen Wert in den Mittelpunkt stellen – nicht als Teil irgendeines Deals. Die meisten haben das auch sofort verstanden und gerne akzeptiert.

Gleichzeitig gibt es unterschiedliche Welten: eine Instagram-Welt mit ihrer eigenen Dynamik – und eine andere, in der meine Arbeit verankert ist. Ich gehöre nicht in die erste. Natürlich wäre es für den kommerziellen Erfolg einfacher, sich darauf einzulassen. Aber darum geht es mir nicht. Das bedeutet nicht, dass jemand, der über Instagram auf das Buch stößt und es bestellt, das falsche Publikum wäre. Aber im Internet passieren mit Bildern Dinge, die weder ich noch die abgebildeten Personen wollen. Und dafür sind mir die Arbeit, die Qualität und die gesamte Produktion einfach zu wertvoll.

Thomas Berlin: Ich war im letzten Jahr auf der Ausstellung eines lokalen Aktfotografen in Arles. Der hatte die Besucher mit einem Aushang gebeten, aus Respekt vor den Models keine Fotos zu machen, damit die Models nicht im Internet enden würden.

J. Konrad Schmidt: Haben die Leute das verstanden?

Thomas Berlin: Ich denke schon. Ich habe niemanden gesehen, der fotografiert hat – nur das Schild wurde abgelichtet.

J. Konrad Schmidt: Ja, aber mal ernsthaft: Wir leben im Jahr 2025, sind alle Medien affin und von Persönlichkeits- und Urheberrechten umgeben, die es seit über 50 Jahren gibt. Ist es nicht absurd, dass wir so etwas überhaupt auf ein Schild schreiben müssen?

Thomas Berlin: Ein Zeichen der Zeit, würde ich sagen…

J. Konrad Schmidt: Genau das ist der Punkt. Es ist eine interessante Beobachtung: Man braucht ein Schild, um Leute davon abzuhalten, sich die Arbeit anderer anzueignen. Wir konsumieren Kultur, sind belesen – und doch landet alles sofort im Internet. Aber das Spannende ist: Viele haben mein Buch ja blind bestellt, ohne genau zu wissen, was sie bekommen. Diejenigen, die es posten, zeigen meist nur das Cover – nicht den Inhalt. Ich finde das großartig, weil es zeigt, wie respektvoll die Käufer damit umgehen.

Thomas Berlin: Du sagtest schon, dass du mit dem Buch kein Geld verdienst. Aber ich glaube, dass so ein Buch auch Image bildend für dich ist und in der allgemeinen Wahrnehmung auf dich ausstrahlen wird. Du hast übrigens beide Bücher nicht in einem Verlag, sondern als Selbstverleger herausgebracht. Warum?

J. Konrad Schmidt: Ich hatte einen Erweckungsmoment, als ich mit der Buchdruckerin darüber gesprochen habe. Die sagte mir: „Was du als Buchqualität willst, das kriegst du bei keinem Verlag.“ Die Materialität, das Papier, der Farbschnitt, der Umschlag, dieses Vorsatzpapier – das hätte mir jeder Verlag zusammen gestrichen nach dem Motto: „Wir binden das in Leinen und drucken das auf Bilderdruck, das ist billiger.“

Thomas Berlin: Wer ist eigentlich dein Publikum?

J. Konrad Schmidt: Sehr sehr gemischt… Ich verschicke jedes verkaufte Buch ja selbst, daher weiß ich genau, in welchen Regionen die Menschen sitzen.

Thomas Berlin: Wir haben gerade über Geld gesprochen. Lassen wir dein Buch und deine freien Projekte beiseite und sprechen über deine Arbeit als kommerzieller Fotograf, insbesondere in der Werbung. Mir ist etwas aufgefallen: Viele Fotografen spezialisieren sich auf ein bestimmtes Segment und perfektionieren es, während sie alles andere bewusst ausklammern. Für viele ist das eine erfolgreiche Strategie. Bei dir sehe ich jedoch eine große Bandbreite – Autos, Menschen, Architektur, verschiedene Themen. Du hast dich also nicht so stark spezialisiert. Warum?

J. Konrad Schmidt: Gute Frage, Thomas. Wo fange ich an? Erst einmal ist das eine Entwicklung, die sich über meine Karriere hinweg vollzogen hat. Im November 2024 hielt ich seit 20 Jahren eine Kamera in der Hand, und seit 15 Jahren arbeite ich solo-selbstständig als Berufsfotograf. Die fünf Jahre davor waren eine Mischung aus Jobs vor und während des Studiums. Meine Interessen haben sich im Laufe der Zeit verändert.

Früher wurde nicht unbedingt „lebendiger“ fotografiert als heute. Wenn jemand ausschließlich Architekturfotografie machte, waren Menschen oft gar nicht im Bild – oder nur verwischt in Modefotos, die Kleidung verkaufen sollten. In der Autofotografie standen früher lange Texte und Produktdarstellungen im Mittelpunkt. Das gibt es heute kaum noch. Kampagnen setzen stärker auf Emotionen, auf Menschen – auf uns als Betrachter. Ich bin an zu vielen Dingen interessiert, um mich auf nur ein Thema zu beschränken. Natürlich wäre es aus Marketingsicht vermutlich klüger gewesen, mich stärker zu fokussieren. Viele Menschen denken in Kategorien: „Der macht nur das.“ Wer aber mehrere Bereiche bedient, wird oft nicht als Spezialist wahrgenommen. Das sehe ich anders.

Die spannende Frage ist: Was könnten wir tun, wenn wir wirklich freie Wahl hätten? Und was von dem, was wir bereits gemacht haben, zeigen wir eigentlich? Ich behaupte, dass die meisten Fotografen höchstens 20 Prozent ihrer Auftragsarbeiten präsentieren – wenn überhaupt. Vieles bleibt unsichtbar, weil es nicht zu dem Image passt, dass wir erzeugen wollen.

Thomas Berlin: Lass uns das Thema Portfolio vertiefen. Und zuvor den Begriff definieren.

J. Konrad Schmidt: Genau, die Frage ist immer: Was ist eigentlich ein Portfolio? Man kann es auf zwei Arten betrachten. Entweder als eine Sammlung vergangener Arbeiten oder als eine gezielte Auswahl, mit der man zukünftige Aufträge anziehen möchte. Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen. Manche Fotografen positionieren sich als Experten in einer Nische und demonstrieren ihre Spezialisierung. Andere setzen bewusst auf Vielseitigkeit.

Durch meine Mitgliedschaft und Vorstandsarbeit im BFF, zahllose Portfolio-Reviews, Messen, Agenturtermine und Shows habe ich viele verschiedene Strategien gesehen. Es gibt Fotografen, die einfach eine Website mit Hunderten Bildern online stellen und hoffen, dass irgendjemand etwas Passendes findet. Dann gibt es jene, die ihr Portfolio auf 20 bis 30 präzise ausgewählte Bilder reduzieren, um sich gezielt zu positionieren.

Dieser intensive Austausch über Jahre hat mir geholfen, mein eigenes Schaffen in einen breiteren Kontext einzuordnen. Dabei wird auch deutlich: Es reicht nicht, einfach nur ein bestimmtes Bild von sich als Fotograf vermitteln zu wollen. Man muss auch wirklich die Persönlichkeit besitzen, die dazu passt. Viele eifern einem Image nach, das sie selbst nicht verkörpern – das wirkt auf Dauer nicht authentisch und überzeugt weder Kunden noch Agenturen.

Für mich persönlich war Fotografie immer eine Möglichkeit, in Welten einzutauchen, die mir sonst verschlossen geblieben wären. Ich liebe diese Vielseitigkeit. Und auch wenn es unpopulär klingt: Die meisten Fotografien erfordern keinen außergewöhnlichen IQ oder eine tiefere Bedeutungsebene. Viel spannender finde ich es, mich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen und Situationen zu meistern, die auf den ersten Blick sehr komplex oder unmöglich erscheinen.

Ich habe beispielsweise eine riesige Autoproduktion nach dem Mondkalender organisiert – so etwas sieht man nicht oft. Ich habe Milchstraßenaufnahmen mit Autos kombiniert, was technisch eine Herausforderung war, da die Milchstraße zum gewünschten Zeitpunkt schlichtweg nicht am Himmel stand. In Miami habe ich eine Drohneninstallation im Himmel fotografiert, das Bild backstage auf einem Barhocker mit dem Laptop bearbeitet und es zehn Minuten später auf dem Times Square veröffentlicht gesehen. Null Zeit und jede Menge Druck.

Solche Momente zeigen, dass Fotografie oft bedeutet, unter extremen Bedingungen das auf den ersten Blick Unmögliche möglich zu machen – mit einem Team, das man teilweise erst am Set kennenlernt, in Zeitfenstern, die oft nur Sekunden betragen. Beim Bundeskanzler hatte ich genau 20 Sekunden. Die Leistung bestand nicht darin, ihn zu fotografieren, sondern in der Frage: Was kann ich in diesen 20 Sekunden herausholen? Genau diese Erfahrung, diese Produktionssicherheit verkaufe ich meinen Kunden. Sie wissen, dass ich, egal was passiert, eine Lösung finde. Das macht den Unterschied. Viele Kollegen/innen aus dem BFF kennen das nur zu gut.

Ob es um ein komplexes Architekturfoto, eine Glasplattenentwicklung oder eine aufwendige Werbeproduktion geht – es geht darum, das Wissen und die Erfahrung aus all den Jahren so zu bündeln, dass man in jeder Situation eine klare Struktur hat.

Thomas Berlin: Als Kunde will ich, dass du mein Problem löst. Wenn ich sehe, dass du in der Vergangenheit bei schwierigen Situationen immer eine Lösung gefunden hast, gibt mir das Vertrauen, dass du das auch bei meinem Auftrag schaffen wirst. Mit dieser Strategie umgehst du natürlich den Spezialisierungszwang.

J. Konrad Schmidt: Genau. Und am Ende laufen die Aufträge, die man bekommt, oft auf zwei Extreme hinaus: Entweder sind sie extrem komplex – oder völlig unkompliziert. Alles, was ich gerade erzählt habe, sind Referenzen, die wir beide respektabel finden. Viele deutsche Kunden sehen das genauso – oder eben so, dass sie mich gerade deshalb nicht buchen. Stattdessen fragen sie jemanden, der günstiger und mittelmäßiger ist, weil sie befürchten, dass Exzellenz automatisch zu teuer ist.

In Deutschland gibt es oft nicht die Erwartung, nach Spitzenleistung zu suchen. Stattdessen läuft vieles nach einem algorithmischen Prinzip: lieber mittelmäßig, mittelmäßig teuer, mittelmäßig gut – bloß nicht auffallen. Doch genau das widerspricht eigentlich jeder Idee von erfolgreichem Marketing. In Deutschland kann ein zu hoch angesiedeltes Portfolio daher eher ein Nachteil als ein Vorteil sein.

Thomas Berlin: Wirklich? Hast du dafür ein Beispiel?

J. Konrad Schmidt: Ja, zum Beispiel das Foto von Naomi Campbell in meinem Portfolio. International wird das als totales Qualitätsmerkmal gesehen – in Deutschland ist es eher ein Problem. Hier denken viele sofort: „Ja, aber ich bin doch nur der BASF-Vorstand“ oder „Das passt nicht zu uns, zu teuer“. Sie ziehen nicht in Betracht, dass sie sich genauso einen Fotografen holen könnten. Allein die Präsenz eines solchen Bildes in meinem Portfolio reicht aus, damit sie annehmen, dass ich für sie ohnehin zu teuer bin.

Thomas Berlin: Ich glaube, dass dir solche Bilder langfristig mehr nützen als schaden.

J. Konrad Schmidt: Genau, und das ist der Punkt. Aber am Ende muss natürlich auch Geld reinkommen. Viele Bilder in meinem Portfolio – wie bei jedem anderen Fotografen auch – sind das Ergebnis enormer Investitionen, ohne dass sie direkt etwas einbringen. Sie sehen großartig aus, aber um auf diesem Level zu arbeiten, braucht man finanziellen Spielraum.

Gerade arbeite ich wieder an einem Projekt mit einer kleinen Motorradfirma aus Dresden. Wir stecken sehr viel Zeit, Geld und Arbeit hinein, ohne finanzielle Gegenleistung. Und das ist völlig in Ordnung – ich erwarte von keinem Kunden, dass er mir meine freien Arbeiten bezahlt. Der Punkt ist: Die Erfahrung, die du durch solche Projekte sammelst, das Wissen, das du mitbringst – all das bekommt der Kunde am Ende für seinen Tagessatz ja frei Haus mit. Und das ist in Wirklichkeit viel mehr wert, als das, was er zahlt. Deshalb finde ich Diskussionen über Preise manchmal schwierig.

Wir leben in einem gesättigten Markt. Gewinne entstehen heute oft nur noch durch Verschiebung – wenn einer gewinnt, verliert ein anderer. Unternehmen haben die Möglichkeit, ihr Budget gezielt für das einzusetzen, was sie nach außen zeigen. Mein Ansatz wäre: Dann sollte es das Beste, Passendste sein.

Was mich besonders stört: Wir sind die drittgrößte Industrienation der Welt. Und doch haben wir kaum Selbstbewusstsein. Stattdessen diskutiert die deutsche Presse darüber, ob sich unsere Außenministerin eine Hair/MakeUp Artistin haben darf oder nicht. Das ist doch absurd. Ich habe das Gefühl, dass wir uns das Großdenken abgewöhnt haben. Statt mutig nach vorne zu schauen, machen wir uns kleiner, als wir sind. Das ist schade und falsch. Wer viel reist – und ich meine nicht Urlaub machen, sondern echtes Reisen – der merkt erst, was wir hier in Deutschland eigentlich haben. Ja, wir haben Probleme, aber wir sind nicht so schlecht, wie wir alle denken. Sich kleinzumachen sollte nicht unsere Devise sein.

Thomas Berlin: Man wird international natürlich nicht ernst genommen, wenn man sich kleiner macht, als man ist.

J. Konrad Schmidt: Ja, und genau das ist ein Punkt – wir Europäer müssen uns ohnehin ein neues Selbstbewusstsein zulegen. Die Gründe sind ja hinreichend bekannt.

Thomas Berlin: Du hast gerade über Kosten gesprochen. Ich frage dich deshalb, weil du im BFF in der GenKI-Fachgruppe bist: Wird generative Künstliche Intelligenz in deinem Bereich, insbesondere bei kommerziellen Aufträgen, eher ein Werkzeug oder eine Bedrohung sein? Wie siehst du das?

J. Konrad Schmidt: Schwierige Frage. Ich verstehe durchaus den Reiz, mit GenKI-Prozesse zu vereinfachen und Kosten zu senken. Ich verstehe auch, dass Agenturen es attraktiv finden, Fotografen zu umgehen und mehr Geld im eigenen Unternehmen zu behalten. Diese Entwicklungen sind total nachvollziehbar. Was mich jedoch besonders stört, ist die urheberrechtliche Problematik. Es gibt derzeit noch keine Gerichtsurteile, die den Einsatz von GenKI-generierten Bildern rechtlich einwandfrei regeln. Das bedeutet, dass eigentlich niemand guten Gewissens GenKI-Bilder kommerziell nutzen kann.

Nehmen wir ein Beispiel: Wenn ich als Fotograf den Bildrand eines Fotos per GenKI generieren lasse, dann basiert dieser auf der Erfahrung von Millionen anderer Bilder – viele davon wurden ohne Zustimmung ihrer Urheber in GenKI-Modelle eingespeist. Das ist für mich nicht akzeptabel. Ich kann nicht einerseits als Urheber für meine Rechte eintreten und gleichzeitig durch GenKI die Rechte anderer ignorieren. Das wäre schlichtweg unglaubwürdig.

Ich glaube, dass GenKI vor allem für den Stockfotografie-Markt eine massive Bedrohung sein wird. Denn wenn jemand ein generisches Bild mit wenig präzisem Bezug zum Unternehmen braucht – sagen wir ein Meeting-Tisch, eine Blumenwiese oder einen Ozean –, dann kann er es sich in Zukunft einfach generieren lassen.

Wissen muss man aber: Wenn Fotografen/innen einen Job machen, bekommt die Kundschaft exklusive Nutzungsrechte. GenKI-Bilder sind nicht urheberrechtlich geschützt. Jetzt kann man sagen: „Hurra” aber weit gefehlt denn: Dann kann es das Konkurrenzunternehmen einfach herunter laden und auch nutzen und man kann nichts dagegen tun. Da sind wir wieder bei Positionierung, Werten und Individualität…

Thomas Berlin: Ich weiß, dass dir der BFF (Bund Freier Fotografen und Filmgestalter e.V.) sehr am Herzen liegt und du mehrere Jahre im Vorstand warst. Was bringt dir diese Organisationen für Fotografen?

J. Konrad Schmidt: Mir? Mir brachten Sie alles. Das meine ich ganz ernst… Alles, was ich dir gerade über die wirtschaftliche Lage von Fotografen erzählt habe – innerhalb und außerhalb dieses Interviews –, weiß ich aus meiner Arbeit im Verband. Die rechtliche Lage, die Situation solo-selbstständig zu sein. Es gibt tausend Gründe das niemals alleine und ohne Repräsentation auf politischer, sozialer und kultureller Ebene zu tun. Der BFF mit seinen rund 500 Mitgliedern und einer fest angestellten herausragenden Juristin beschäftigt sich vor Allem intensiv mit berufspolitischen Themen. Denn eines ist sicher: Wer in Deutschland als Solo-Selbstständiger glaubt, der Staat werde schon alles regeln, liegt falsch.

In der Corona-Pandemie haben wir oft gesagt: „Wer nicht am Tisch sitzt, steht auf der Speisekarte.“ Solo-Selbstständige haben in Deutschland keine Lobby. Dabei ist die Kreativwirtschaft größer als die Automobilindustrie – aber niemand nimmt das ernst.

Thomas Berlin: Das heißt, der BFF ist eine Art Stimme für diese Berufsgruppe?

J. Konrad Schmidt: Ganz genau das. Ja. Zusammen mit der „Initiative Urheberrecht” und dem „Deutschen Fotorat”. Es gibt mehrere Verbände, die für bestimmte Gruppen kämpfen – zum Beispiel Freelens für Bildjournalisten und Pressefotografen. Aber das grundsätzliche Problem bleibt: Die politische Wahrnehmung unserer Berufsgruppe ist schwach.

Ich will nicht polemisch werden, aber ein Beispiel: Während der Pandemie zahlte die Arbeitslosenversicherung in der Spitze 500 Millionen Euro Kurzarbeitergeld – pro Tag - aus. 2020 fehlten der Kasse deshalb 33 Milliarden Euro. Angestellte erhielten 80 % ihres Gehalts für 0 % Arbeit. Und wir? Uns wurde erklärt, dass das unser unternehmerisches Risiko sei. Die einzige staatliche Hilfe für Solo-Selbstständige deckte Büroräume, Firmenwagen und Wartungskosten – aber keinen Unternehmerlohn, keine Krankenversicherung, nichts. Wir mussten zusehen, wie wir überleben. Das ist das Problem, wenn man keine Lobby hat. In Deutschland wird unternehmerisches Handeln und investives Risiko stark behindert und zu wenig gefördert. Die Bürokratie erstickt Eigeninitiative, bis es sich irgendwann einzig logisch anfühlt, sich in staatliche Abhängigkeit zu begeben, anstatt selbst unternehmerisches Risiko einzugehen.

Thomas Berlin: Du bist nach dem Studium Fotograf geworden, also einer der Fotografen, die nicht irgendwann ein vermeintliches Hobby zum Beruf gemacht haben, sondern das war eine relativ konsequente Linie. Würdest du es wieder so machen?

J. Konrad Schmidt: Ein klares Ja. Kennst du Scott Galloway? Er ist ein amerikanischer Professor für Wirtschaft und Marketing an der New York University. Er gibt oft lautstarken Life Advice und sagt immer: „Jeder, der dir rät, deine Leidenschaft zum Beruf zu machen, ist meistens jemand, der mit Eisenerzschmelzen Milliardär geworden ist.“ Das kann man den Leuten eigentlich nicht guten Gewissens empfehlen.

Wenn man es gesellschaftlich betrachtet, nicht individuell, dann gilt: Wenn du in einem Bereich mit 90 % Angestelltenquote arbeitest und dort in Deinem Job wirklich gut wirst, hast du ein stabiles Leben. Du wirst befördert, erfährst Wertschätzung, bekommst dein Urlaubsgeld und baust eine Karriere und Wohlstand auf.

Das Gegenteil dazu: Ein Beruf mit 90 % Arbeitslosigkeit. Die These im BFF ist, dass von 100 Absolventen eines Fotografiestudiums vielleicht drei am Ende tatsächlich davon leben können – ohne reich zu heiraten oder andere Einkommensquellen zu haben. Mein Universitätsprofessor meinte, es seien 3 von 30. Selbst das halte ich für sehr ambitioniert. Und wenn ich von davon leben spreche, dann meine ich nicht nur eine Website mit schönen Bildern, sondern eine finanzielle Unabhängigkeit – eine Familie ernähren, Altersvorsorge, eine Erwerbsbiografie.

Denn was passiert oft? Wir arbeiten unser Leben lang als Fotografen, aber landen später in der Altersarmut. Das ist keine Karriere – das ist ein Witz. Ich nehme nur die Zahlen ernst: Wer lebt wirklich von diesem Beruf? Das sind verschwindend wenige. Und in anderen Kreativstudiengängen gibt es keine Garantie, dass du zu diesen wenigen gehörst. Du kannst viel dafür tun, aber du brauchst auch Glück. FC Gundlach hat es einmal Fortune genannt – Glück, das ein länger anhält. Du musst die richtigen Leute treffen, die passende Persönlichkeit für dein Fach haben. Sonst funktioniert es nicht.

Thomas Berlin: Also würdest du es doch nicht noch einmal machen?

J. Konrad Schmidt: Wirtschaftlich betrachtet, wahrscheinlich nicht. Hätte ich einen anderen Weg gewählt, würde es mir finanziell vermutlich besser gehen. Das Geld, das andere mit 40 in soliden Berufen verdienen, werde ich wohl nie erreichen. Aber würde ich in einem Konzern arbeiten wollen? Nach meinen Erfahrungen eher nicht. Finde ich es großartig, wenn ein Kunde in China entscheidet, dass nur ich sein Produkt richtig fotografieren kann und mich dafür Business Class um die halbe Welt fliegt? Klar, das ist schön. Aber wie oft passiert das im Jahr wirklich?

Die Realität ist: Ich fotografiere extrem wenig. Der Großteil meiner Zeit besteht aus Büroarbeit, E-Mails und der Zusammenarbeit mit Kunden. Ohne mein Buchprojekt hätte ich mir wohl nicht dieses außergewöhnliche, intensive Leben organisiert. Als Lebenserfahrung ist es fantastisch. Aber ich weiß, wie viele an diesem Job scheitern.

Als Ex-Vorstand eines Berufsverbands und aus rein wirtschaftlicher Sicht würde ich den Leuten ehrlich gesagt von diesem Beruf abraten. Erst recht in Zeiten der GenKI, wo niemand weiß, wie sich der Markt entwickeln wird. Und wenn du nicht in der Lage bist, einem Kunden all das, was ich hier erzählt habe, glaubhaft zu vermitteln – dann lass es.

Denn wenn es nur um die Schönheit des Bildes, die Selbstverwirklichung und die Idee vom kreativen Leben geht – dann mach es lieber als Hobby.

Thomas Berlin: Das entspricht auch meiner Beobachtung. Fotografie ist eines der wenigen Hobbys, bei dem viele Menschen meinen, es unbedingt monetarisieren zu müssen. Für viele wäre es die bessere Lösung, beim Hobby zu bleiben.

J. Konrad Schmidt: Ja, aber diese Realität vermittelt ihnen keiner. Wenn du nicht in einem Berufsverband organisiert bist, bekommst du diese Realität kaum mit. Du kannst dir das Leben schönreden – bis dein Steuerberater dir irgendwann die Zahlen vorrechnet.

Ich wünschte, mehr Leute würden das hören. Ich versuche, es auf Bühnen zu sagen, aber dann heißt es schnell: „Ach, das ist so negativ. Lass uns lieber über neue Aufsteckblitze sprechen.“ Dann gibt man den Slot lieber an Nikon, Canon oder Sony, damit sie zeigen können, wie toll ihr neuer Blitz für Makrofotografie ist. Klar, die Industrie lebt davon, den Traum weiter zu verkaufen.

Thomas Berlin: Gibt es weitere Gründe, sich als Profifotograf in einem Verband zu organisieren?

J. Konrad Schmidt: Ja, absolut. Einer der wichtigsten Aspekte ist der berufliche Austausch – eine Art professionell verbundener Freundeskreis, in dem man sich gegenseitig unterstützt und alles fragen kann.

In Berlin habe ich BFF-Kollegen, die für mich einspringen, wenn ich nicht kann – und umgekehrt. Wir sind ein Netzwerk, das darauf ausgelegt ist, unsere Klientel professionell zu bedienen, sodass sich das Geschäft am Ende des Jahres auch wirtschaftlich trägt.

Es geht oft nicht nur darum, selbst einen Job zu bekommen, sondern auch darum, Aufträge sinnvoll weiterzuvermitteln. Oft arbeiten wir auch gemeinsam an Projekten. Beim Naomi-Campbell-Shooting hatte ich einen BFF-Kollegen dabei, der das MakingOf fotografiert hat, weil der Kunde es so wollte. In einer aktuellen Kampagne haben wir zu viert gleichzeitig gearbeitet, weil die Zeit zu knapp war, um es allein zu stemmen.

Solche Aufträge bringen nicht nur mir etwas – sie schaffen auch Einkommen für andere.

Das ist eine Frage der Haltung: Du musst bereit sein, dein Licht zu teilen und anderen zum Erfolg zu verhelfen. Wenn du nur an dich denkst, bist du in so einem Netzwerk falsch.

Thomas Berlin: Ich glaube, wenn man mit diesem Gemeinschaftsgedanken durchs Leben geht und auch an andere denkt, ihnen Erfolge gönnt oder sie aktiv unterstützt, dann profitiert man langfristig selbst – denn oft kommt etwas zurück.

J. Konrad Schmidt: Absolut. Und neben dem Netzwerk bringt so ein Verband auch eine enorme Marktkenntnis. Viele Mitglieder tauschen sich über Jahre aus und teilen ihre Erfahrungen. Das kumulierte Wissen aus 15 Jahren Branchenentwicklung – all die Einblicke, die ich heute mit dir teile – hätte ich ohne den BFF so nicht.

Thomas Berlin: Themenwechsel: Was machst du, wenn du nicht professionell fotografierst oder dich für deine Kollegen einsetzt?

J. Konrad Schmidt: Ich gehe viel auf Konzerte – da ist Berlin natürlich perfekt, weil hier jeder irgendwann mal spielt. Außerdem gehe ich gerne in die Sauna. Tatsächlich habe ich dieses Jahr einen Kurs gemacht und bin jetzt offiziell „Fachperson für Saunaaufgüsse“ (lacht).

Thomas Berlin: Ach, dafür kann man Kurse machen?

J. Konrad Schmidt: Ja, richtig offiziell. Muss man auch! Was mir vorher gar nicht klar war: Saunaaufgüsse können ein echtes Gesundheitsrisiko sein, wenn sie falsch durchgeführt werden. Ich wusste nicht, wie feuergefährlich das Ganze eigentlich ist. Es war eine echte Bildungsreise – ich habe es nicht bereut.

Aber natürlich nimmt auch meine freie Arbeit enorm viel Zeit ein. Ständig kommuniziere ich mit Leuten, schreibe mitten in der Nacht Ideen auf, die ich geträumt habe.

Ich will das nicht glorifizieren, aber mit all den Projekten, Reisen, dem Buch und allem drumherum – da bleibt kaum Raum für ein klassisches Privatleben.

Thomas Berlin: Konrad, danke für das spannende Gespräch und für die vielfältigen Einblicke in dein Schaffen, den Markt und auch die damit verbundene emotionale Seite. Ich wünsche dir viel Erfolg mit dem aktuellen Buch „HÔTEL NOIR II”.

J. Konrad Schmidt ist im Internet über seine Website sowie auf Instagram erreichbar. Sein Buch kann über seine Website bestellt werden. Feedback zum Interview gern hier.

Fotos: © J- Konrad Schmidt

Thomas Berlin

Thomas Berlin is a fine art photographer, photo blogger and photo book publisher from near Frankfurt am Main, Germany.

https://thomasberlin.net
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