“Ich muss bei einem Model das gewisse Etwas erkennen” - Sacha Leyendecker im Gespräch mit Thomas Berlin

 
Sacha Leyendecker im Interview mit Thomas Berlin

Sacha Leyendecker

Sacha ist bekannt für seine sinnliche Lifestyle- und Aktfotografie. Wir sprachen im Interview über Bildgestaltung, Licht und wie er mit Models arbeitet.

Bild: Selbstportrait Sacha Leyendecker


Thomas Berlin: Sacha, Deinen Bildern sieht an die Urheberschaft meist sofort an: Farben, Modelltyp und Umgebung sind sehr stimmig und harmonisch. Wie hast Du zu diesem Stil gefunden?

Sacha Leyendecker: Ich denke, das kam automatisch, quasi von Innen heraus. Ich habe von Anfang an viel fotografiert und meine Bilder habe ich nach den Shoots immer genau analysiert und überlegt, was mir gefällt und warum es mir gefällt. Das hat mir geholfen, mich stilistisch zu festigen und einen meinen Stil reproduzierbar zu machen. Und mit reproduzierbar meine ich nicht, immer das gleiche Setup zu shooten, nein es geht vielmehr darum, deinen eigenen Stil auf unterschiedlichste Shootingsituationen übertragen zu können. Ein Lernprozess, der viel Zeit braucht. 

Thomas Berlin: Wie würdest Du selbst Deinen Bildstil beschreiben?

Sacha Leyendecker: Hier halte ich mich lieber kurz: Sinnlich, emotional, stark, lebendig und harmonisch.

Thomas Berlin: Schönheit scheint mir für Deine Model-Auswahl immer entscheidend zu sein. Wie suchst Du die Menschen aus, die Du fotografierst? Welche Bedeutung hat für Dich Schönheit und was ist mit Persönlichkeit?

Sacha Leyendecker: Es geht um die Symbiose von Schönheit und Persönlichkeit, wobei letzteres ganz klar und deutlich mehr Gewichtung hat. Es gibt viele schöne Gesichter, die auf Bildern emotionslos wirken. Das reizt mich wirklich gar nicht. Ich muss bei einem Model das gewisse Etwas erkennen. Dabei versuche ich meine persönlichen Schönheitsideale hinten anzustellen und Modelle objektiv zu betrachten. Das klappt nicht immer, vor allem im Hinblick auf Modelle, die so gar nicht meinem Schönheitsideal entsprechen, aber ich werde immer besser. 

Thomas Berlin: Da wir uns kennen, verbinde ich mit Dir immer auch natürliches Licht und Framing. Zum Framing kommen wir noch. Kannst Du zuerst bitte etwas darüber sagen, wie Du mit natürlichem Licht umgehst bzw. welche Bedeutung hat für Deine Shootings hat? 

Sacha Leyendecker: Natürliches Licht gibt mir die Freiheit, mich kreativ zu entfalten und meinen Modellen den Spielraum, sich vor der Kamera natürlich auszuleben. Das heisst aber nicht, dass ich dem Licht keine Beachtung schenke. Ganz im Gegenteil. Ich habe die klassischen Lichtarten und die plastische Wirkung von Licht mit Studioleuchten bzw. Blitzen erlernt und dann irgendwann angefangen, dieses Wissen auf natürliches Licht zu übertragen. Die Ergebnisse gefielen mir und kamen meinem Bildstil und meiner Bildaussage zugute. Daher habe ich über die Jahre natürliches Licht immer weiter beobachtet und studiert. Das mache ich nicht nur bei Shoots, sondern häufig in ganz normalen Alltagssituationen.

Heidi Romanova Bild: © Sacha Leyendecker / Interview mit Thomas Berlin

Thomas Berlin: Arbeitest Du wirklich nur mit natürlichem Licht? Oder manchmal auch mit künstlicher Beleuchtung? 

Sacha Leyendecker: Grundsätzlich arbeite ich nur mit natürlichem Licht. Es ist sicher schon ein paar Jahre her, dass ich mit Blitzen gearbeitet habe und wenn, dann war es lediglich ein Systemblitz, weil ich den Glamour-Trash Look mag, den man mit diesem Licht erzeugen kann. Natürliches Licht ist so vielseitig und qualitativ meist so gut, dass ich einfach keinen Bedarf an künstlichem Licht habe. Soll aber nicht heißen, dass ich es für immer ablehne. 

Thomas Berlin: Kommen wir zum Framing. Was ist damit gemeint und warum ist es Dir scheinbar wichtig?

Sacha Leyendecker: Framing ist ganz einfach ein gestalterisches Mittel, welches ich häufig in meinen Bildern verwende. In Fotos kommen grundsätzlich drei Hauptgestaltungsmittel zum Einsatz: Akzente, Linien und Flächen. Die Grundfläche des Bildes lässt sich in kleinere Flächen teilen. Setzt man diese Flächen nun gestalterisch gezielt ein, können sie dem Model eine Art Rahmen geben, also ein Frame innerhalb des Bildes. Diese Frames fokussieren den Blick des Betrachters und geben dem Model eine stärkere Präsenz. 

Thomas Berlin: Und wie setzt Du das um?

Sacha Leyendecker: Beim Fotografieren analysiere ich stets Hintergrund und Vordergrund sowie Beiwerk und halte nach gestalterischen Optionen Ausschau. Oftmals sind das eben Frames. Das einfachste Beispiel ist eine Tür im Hintergrund. Über den richtigen Abstand vom Model zum Hintergrund sowie die richtige Brennweite, wird die Tür zum Rahmen für das Model. Es gibt aber wesentlich mehr und kreativere Möglichkeiten des Framings, aber das würde den Rahmen des Interviews sprengen. 

Thomas Berlin: Wann ist ein Bild gelungen bzw. wann bist Du damit zufrieden? 

Sacha Leyendecker: Das ist eine gute Frage, denn so richtig zufrieden bin ich selten. In mir ist stets der Antrieb es besser machen zu wollen. Die Bilder die mir am besten gefallen sind die, die zeitlos sind und bei denen ich es geschafft habe, dem Model eine besondere Erhabenheit zu verleihen. 

Thomas Berlin: Wie wichtig ist Dir, dass andere Leute Dein Bild gut finden?

Sacha Leyendecker: Zu dieser Frage muss ich zwei Antworten geben. Für mich persönlich spielt es wirklich keine Rolle. Wenn mir das Bild gefällt und idealerweise auch dem Model, bin ich glücklich, egal was andere von dem Bild halten. Allerdings bin ich Fototrainer und lebe davon, dass anderen meine Bilder gefallen und dass sie lernen möchten, wie ich diese Bilder erschaffe. 

Thomas Berlin: Bitte sortiere folgende Zutaten eines People Shootings nach abnehmender Priorität für Deine Arbeit: Model, Konzept, Location, Kameraausrüstung, Licht, Spirit des Fotografen.

Sacha Leyendecker: So einfach ist das nicht und ehrlich gesagt, macht es für mich keinen Sinn eine Gewichtung bzw. Sortierung zu setzen, denn es braucht ein ideales Zusammenspiel dieser Zutaten um ein gutes Bild zu schaffen. Das beste Licht bringt wenig, wenn der Mensch bzw. das Model vor der Kamera keine Ausstrahlung hat und das tollste Model macht noch lange kein gutes Bild. Fotografie sollte ganzheitlich betrachtet werden. 

Thomas Berlin: Kommen wir kurz zur Technik: Mit welchen Kameras / Formaten und welcher Software arbeitest Du? 

Sacha Leyendecker: Überwiegend arbeite ich mit Nikon Vollformat Kameras. Dabei bin ich eher klassisch veranlagt und greife vorrangig zu Spiegelreflexkameras. Ich mag das Nikon System einfach für seine Dynamik und Farbwiedergabe. Für Streetporträts arbeite ich gerne mit der XT Serie von Fujifilm. Bei der Software vertraue ich auf Adobe Lightroom und Photoshop. 

Thomas Berlin: Mit welchen drei Ausrüstungsgegenständen (z.B. eine Kamera und zwei Linsen) könntest Du, wenn es denn theoretisch sein müsste, 80% Deiner Shootings durchführen? 

Sacha Leyendecker: Könnte? Ich mache wahrscheinlich 90% meiner Bilder mit dem 50er und 85er am digitalen Vollformat. Mehr bräuchte ich eigentlich nicht. 

© Sacha Leyendecker / Interview mit Thomas Berlin

Thomas Berlin: Wie ist Dein Workflow nach der Aufnahme bis zum finalen Bild? Ist Dein Bild final, wenn es digital „fertig“ ist oder strebst Du Dein Ergebnis auch als Print an?

Sacha Leyendecker: Ich versuche das Bild so gut wie möglich zu fotografieren. Dennoch ist die Bildbearbeitung für mich ein wichtiger Prozess, denn sie gibt mir die Möglichkeit zu perfektionieren. Danach ist das Bild für mich fertig. Print ist natürlich spannend und verleiht dem Ganzen nochmal etwas haptisches und handwerkliches, verliert aber in der heutigen Zeit immer mehr an Bedeutung. Ich gehe sogar davon aus, dass künftig der Kunsthandel digitalisiert wird. 

Thomas Berlin: Kommen wir zu Deinen Shootings: Wie bereitest Du Dich vor? Gehst Du spontan oder mit einem Konzept ins Shooting? Erstellst Du z.B. vorab Mood Boards?

Sacha Leyendecker: Sowohl als auch. Ich bereite mich gerne vor und gebe dem Shoot ein Konzept bzw. einen stilistischen und inhaltlichen Rahmen. Dafür nutze ich Moods. Auf der anderen Seite möchte ich auch die Persönlichkeit des Models und die Atmosphäre vor Ort auf mich wirken lassen und diese spontan einbeziehen. Das Konzept und die Moods sind dabei eine Art Startpunk von dem ich mich mit dem Model frei entfalte. 

Thomas Berlin: Wie sollten sich Fotografen gegenüber Models verhalten? Wie gehst Du auf den Menschen ein, den Du fotografierst?

Sacha Leyendecker: Respektvoll natürlich, was sonst. Allerdings endet der Respekt nicht mit dem Verhalten beim Shoot, sondern spiegelt sich vor allem in der Art wieder, wie ich das Model auf dem Bild darstelle. Gerade in der Aktfotografie ist dies besonders wichtig. Ästhetik und Erhabenheit sind in diesem Zusammenhang wichtige Begriffe. 

Thomas Berlin: Was unterscheidet einen gutes von einem weniger guten Model aus Fotografensicht?

Sacha Leyendecker: Zunächst einmal braucht ein Model natürlich das gewisse Etwas und eine gute Ausstrahlung, Aber wenn wir vom modeln reden, reden wir eigentlich von dem Beruf. Und genau wie Fotografen müssen auch gute Modelle stets an sich arbeiten. Mit einigen Modellen arbeite ich bereits seit mehreren Jahren und es ist spannend, ihre Entwicklung beim Modeln zu verfolgen. Hier merkt man schnell, wer seinen Job ernst nimmt und wer nicht. 

Thomas Berlin: Hast Du ein Fotografenvorbild?

Sacha Leyendecker: Wer hat das nicht, mehrere sogar. Am meisten geprägt hat mich vermutlich Sante D’Orazio. Sein Buch „A private view“ habe ich mir zweimal gekauft, denn eins davon nutze ich oft als eine Art Moodboard. 

Thomas Berlin: Gibt es ein Magazin, eine Website oder ein Buch, dass Dich für Deine Fotografie besonders wichtig ist? 

Sacha Leyendecker: A private view habe ich ja schon erwähnt. Dazu möchte ich gerne meinen ersten Fotoband nennen, den ich je gekauft habe: „Fräulein“ von Ellen von Unwerth. Dieses Buch hat mir sozusagen den Weg in die erotische Fotografie geebnet. 

Thomas Berlin: Wie wichtig ist Social Media für Deinen Erfolg und Deine Inspiration? Was nutzt Du weil es Sein muss und was am liebsten?

Sacha Leyendecker: In Sachen Inspiration spielt es inzwischen eine untergeordnete Rolle. Social Media fehlt meist die Fokussierung und der Netzwerkcharakter führt dazu, dass du mit einer Flut von Bildern überschüttet wirst. Für mein Business wiederum ist Social Media auch heute noch enorm wichtig. Man kann sogar sagen, dass ich mein Business als Fototrainer über Social Media (Instagram) aufgebaut habe. 

Thomas Berlin: Sacha, kommen wir noch zu Dir persönlich. Wie und wann Du überhaupt zur Fotografie gekommen? 

Sacha Leyendecker: Darüber habe ich kürzlich noch mit meiner Frau gesprochen und wir haben das ganz gut rekonstruieren können. Es fing alles damit an, dass ich mir für den Flug in den Urlaub, am Flughafen, Zeitschriften über Fotokameras gekauft habe. Als damals technikbegeisterter Mensch, haben mich diese Magazine schnell in ihren Bann gezogen. Zugleich haben wir damals ein Paarshooting am Strand gebucht. Ich fand das Geschäftsmodell „Hotelfotograf“ total spannend und ab da war die fixe Idee geboren, dass ich Fotograf werden möchte. Es hat zwar noch einige Zeit gedauert, bis ich tatsächlich diesen Weg gegangen bin, aber dieser Urlaub war ganz klar der Startschuss. 

Thomas Berlin: Wie bist Du auf Deine Genres Akt- und Lifestylefotografie (sind die Genres damit korrekt beschrieben?) gekommen? Warum hübsche, meist unbekleidete, Damen und warum keine Landschaft, Architektur oder Schmetterlinge?

Sacha Leyendecker: Sinnliche Lifestyle- und Aktfotografie trifft es in etwa, wobei ich den kommerziellen Charakter von Lifestyle ganz klar ausklammere. Es geht mir um die Lebendigkeit meiner Bilder. Und bei der Frage nach dem Warum antworte ich gerne kurz und knackig mit: Warum nicht :)  Diese Frage wird besonders oft beim Genre der Aktfotografie gestellt, was mich wiederum zu der Frage bringt: Warum ausgerechnet hier? 

Thomas Berlin: Du bist Fotograf, Trainer und Studioeigner. Habe ich etwas vergessen? Was ist Dein Schwerpunkt und kannst Du dazu noch etwas sagen? 

Sacha Leyendecker: Beruflich gesehen bin ich in erster Linie Trainer. Damit verdiene ich den Großteil meines Lebensunterhalts. Auftragsarbeiten im Bereich der Fotografie mache ich seit Jahren nicht mehr. Ich arbeite ausschließlich an freien Projekten zur Vermarktung meiner Coachingprodukte. Meine Studiobeteiligungen sind ein Ergebnis dieser Tätigkeiten, weil sich dadurch Synergien ergeben. Ohne die Fotografie würde ich vermutlich keine Studios betreiben. 

Thomas Berlin: Was machst Du neben der Fotografie gern?

Sacha Leyendecker: Da gibt es so einiges. Vor allem liebe ich es zu Reisen. Allerdings verbinde ich das Reisen häufig mit meiner Fotografie wie z.B. bei meinen Fotoevents oder auf Shootingreisen für unser Magazin MARLEY. Dann bin ich ein großer Wellness Fan und freue mich jedesmal, wenn ich einen ganzen Tag in einer Wellness Oase verbringen kann. Leider kommt dies viel zu selten vor. Auch Filme und Serien sind für mich und meine Frau ein unbedingtes Muss. Wir sind beide riesige Fans von gutem Filmentertainment. Und last but not least könnten wir nicht ohne unsere Hunde leben. 

Thomas Berlin: Sacha, Vielen Dank für die spannenden Einblicke. Möchtest Du noch etwas sagen?

Sacha Leyendecker: Ich danke dir für das Interview :) 

Website von Sacha Leyendendecker: https://www.sacha-leyendecker.com Feedback zum Interview gern hier.

© Sacha Leyendecker / Interview mit Thomas Berlin

Bilder oben: © Sacha Leyendecker