Stefan, wenn es um Polaroidfotografie geht, fällt schnell Dein Name. Wie bist Du denn ausgerechnet auf den Anachronismus gekommen, mit Polaroidfilm, der oft schon abgelaufen ist, zu fotografieren?
Das hat sich so im Laufe der Zeit entwickelt. Anfangs habe ich nur digital fotografiert aber dann ist mir eine Polaroid Kamera mit Film in die Hände gefallen und ich habe sie einfach mal mit zum Shooting genommen. die Ergebnisse waren damals nicht so toll, der Film war schon lange abgelaufen. Da die Bilder zu schade zum wegschmeißen waren, haben das Model und ich die Bilder auf Ebay angeboten und direkt einen Liebhaber gefunden. So ging das Ganze dann los, von dem Geld wurden neue Filme gekauft usw...
Wie würdest Du Deinen Bildstil in wenigen Worten beschreiben?
Nude Art / PinUp, wobei ich versuche, die Modelle möglichst natürlich wirken zu lassen.
Und wie würdest Du Dich selbst beschreiben?
Kreativ-chaotisch.
Wie bist Du eigentlich zur Fotografie gekommen? Hattest Du vorher schon etwas Kreatives gemacht?
Fotografieren und arbeiten in der Dunkelkammer hatte ich schon in der Schule als Wahlpflichtunterricht. Aber Kreativ war das damals noch nicht. Das bewusste Fotografieren ging dann 2007 los. Meine damalige Freundin hat sich von einem Fotografen ablichten lassen (Akt) und die Ergebnisse waren wirklich alles andere als gut. Da habe ich mich an die Schulzeit erinnert und beschlossen, es besser zu machen.
Auf Deinen Bildern sehe ich, dass die Aktfotografie Dein Schwerpunkt ist. Welchen Grund gibt es, neben deiner Freundin noch?
Akt (nicht Pornografie), wenn er gut gemacht ist, zeigt eine natürliche und intime Seite des Menschen. Das gefällt mir.
Geht es Dir darum die Persönlichkeit Deines Models abzubilden oder soll das Bildergebnis eher eine eigene ästhetische Note haben?
Das kommt immer etwas auf das Shooting an. Prinzipiell ist Beides sehr wichtig, aber mal überwiegt der eine, mal der andere Teil. Gänzlich fehlen darf aber keiner der beiden Punkte.
Wie erreichst Du, dass Deine Models so entspannt und wenig posierend wirken? Bist Du beim Shooting eher direktiv und hat eine klare Vorstellung oder gibst Du den Models Freiraum für eigene Gestaltungsideen?
Ich gehe meistens ziemlich unvorbereitet in ein Shooting, da ich oft die Locations vorher nicht kenne und die Modelle auch nicht. Von daher ist es relativ schwierig, sich vorzubereiten. Das Ganze entwickelt dann seine eigene Dynamik und vielleicht ist das der Grund, warum die Modelle so entspannt wirken. Anweisungen gebe ich eher selten und wenn dann eher in der Art, dass sie vor der Kamera nicht so rumspringen sollen, da ich sonst mit dem manuellem Fokus nicht scharfstellen kann.
Wie bereitest Du Dich auf ein Shooting vor?
Zwei Koffer voll mit Filmen und Kameras, irgendetwas wird schon passen :)
Wie gehst Du mit Licht um bzw. welche Bedeutung hat es im Shooting?
Ohne licht kein Foto….! Meistens nutze ich Tageslicht, eher selten Blitze oder Lichtformer. Das mit dem Blitzen macht Spaß, ist aber auch einiges mehr an Aufwand.
Wonach suchst Du Deine Locations aus?
Die Locations sollten dem Bild einen passenden Rahmen geben. Das können schöne Landschaften sein, schöne Hotels oder, noch besser, Airbnb-Apartments.
Wann ist ein Bild gelungen bzw. wann bist Du damit zufrieden?
Für mich persönlich, wenn ich es länger aus 2 Sekunden anschaue. Aber „gelungen“ ist sehr subjektiv. Ich habe schon Fotos verkauft, die nicht mal in meiner dritten Wahl waren. Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters.
Kommen wir zur Technik: Mit welchen Kameras / Formaten arbeitest Du?
Das sind fast zu viele um sie aufzuzählen. Im Kleinbild Conatx RTS oder Nikon F4, im Mittelformat Mamiya 645Pro und Pentax 6x7, im Großformat Graflex Speed Graphic oder Plaubel Peco Profil 8x10. Und dann noch diverse Polaroid Kameras, wie die SLR680 oder MiNT SLR670S.
Für nicht alle Deiner Kameras werden noch Filme produziert. Hast Du Dich für die nächsten Jahre eingedeckt?
In meinem Keller stehen tatsächlich 3 Kühlschränke die voll sind mit Filmen. Das sollte noch eine Weile reichen.
Ist die Qualität der heutigen Polaroidfilme anders als früher?
Die Entwicklungszeit ist etwas länger, aber trotzdem kann man mit den neuen Filmen sehr gut arbeiten. Es bringt auch nichts den alten Zeiten hinterher zu trauern. Ich bin froh das ich noch Filme kaufen kann und man versucht, das Beste draus zu machen. Generell kann man sagen dass die Qualität der neuen Filme über die Jahre stetig gestiegen ist und die Entwicklung ist noch lange nicht am Ende.
Mit welcher Kombination aus drei Fotogegenständen (Kameras, Linsen etc.) könntest Du (wenn es denn sein müsste) 80% Deiner Shootings machen?
Nur 3? Unmöglich.
Fotografierst Du außer auf Polaroidfilm auch noch mit „normalem“ Analogfilm oder digital?
Film ja, digital nein. Ich mag das Limitierende am Film. Man kann nicht 1000 Fotos in einer Stunde machen, sondern überlegt erst, bevor man ein Bild macht.
Wie ist Dein Polaroid-Workflow nach der Aufnahme bis zum verkaufsfertigen Print?
Ich verkaufe eher selten Prints, ich verkaufe meist die Originale. Daher ist der Workflow recht überschaubar: Foto machen, scannen, publizieren. Eine Nachbearbeitung in Lightroom oder ähnlichen Programmen findet nicht statt und würde auch keinen Sinn machen, das Polaroidfoto ist ja bereits fertig.
Nehmen Models analoge Aufnahmetechnik anders wahr? Wie reagieren die Models, wenn Du mit teils großformatigen Kameras aus dem letzten Jahrhundert an der Location auftauchst?
Da ist schon Einiges an Erklärung notwendig, vor allem beim Großformat. Viele haben sowas vorher noch nie gesehen und wissen dann nicht wie sie reagieren sollen. Vor allem der fehlende Autofokus macht es stellenweise schwierig, da die Modelle keine zwei Sekunden still halten können.
Welche Fotografen und Models inspirieren Dich?
Fotografen: Peter Lindbergh, Ruslan Lobanov. Model: Marisa Papen.
Mit welchem Model möchtest Du unbedingt mal shooten?
Marisa Papen.
Was unterscheidet einen gutes von einem weniger guten Model aus Deiner Fotografensicht?
Das Wichtigste ist Natürlichkeit, ohne die geht meiner Meinung nach gar nichts. Die Bilder wirken sonst nicht echt. Leider wird das immer seltener, alles wirkt irgendwie gefaked. Viele vergessen vielleicht, dass so ein Fotoshooting nicht ein Schnappschuss auf Instagram ist.
Wie sollten sich Fotografen gegenüber Models verhalten, um gute Resultate zu erzielen?
Ich verhalte mich ganz normal, schaue dem Model nicht auf die Brüste sondern in die Augen bei einer Unterhaltung. Je normaler die Situation ist, umso entspannter sind die Modelle. Zu guten Resultaten führt das Verhalten aber nur bedingt, da gehört schon noch einiges mehr dazu.
Erstellst Du vor Shootings Mood Boards?
Nein, da bin ich viel zu faul dafür und am Ende macht man eh was anderes als ursprünglich geplant.
Was war Dein lustigstes Erlebnis bei einem Shooting?
Einmal wurde mein Shooting von der Polizei beendet. Das war in gewisser Weise lustig, waren da grade eh schon fertig.
Wie wichtig ist für Dich Social Media für Deinen Erfolg und Deine Inspiration? Was nutzt Du?
Ich verbringe viel Zeit auf Instagram, aber eher um Bilder anzuschauen und Kontakt zu halten. Besonders planen tue ich da nichts, ich poste wann ich Lust habe.
Die Fotografie ist bei Dir mehr als ein Hobby, da Du Deine Bilder auch verkaufst. Hast Du vor, Deinen Hauptberuf irgendwann an den Nagel zu hängen und ausschließlich als Künstler zu arbeiten?
Nein, Fotografieren wird immer ein Nebenberuf bleiben. Man sieht grade jetzt in Zeiten von Corona wie schnell es unverschuldet bergab gehen kann mit der Selbstständigkeit. Außerdem kommt jeder Künstler an einen Punkt an dem er eine kreative Pause braucht. Die kann man sich als Solo-Selbstständiger aber meistens nicht leisten.
Du bist inzwischen auch Kurator von Ausstellungen zur Sofortbildfotografie. Wonach stellst Du die Ausstellung zusammen bzw. was muss ein Sofortbild ausmachen, um in eine Ausstellung zu kommen?
Ja, seit 2018 plane und organisiere ich die Instant Art in Arles und Paris. Die Ausstellungen sollen ein möglichst breites Spektrum zeigen und was mit Sofortbildfilm alles möglich ist. Neben den unterschiedlichen Stilrichtungen spielt auch Bildmanipulation eine große Rolle. Um teilnehmen zu können sollten die Künstler einen unverkennbar eigenen Stil entwickelt haben, der aus der Masse hervorsticht.
Darüber hinaus bist Du auch Vortragsredner bei Kunst- und Fotoveranstaltungen. Was ist generell Deine Botschaft oder Dein Rat an die Teinehmer/innen?
Meine Botschaft ist eigentlich recht simpel: nicht so viel darüber nachdenken was andere denken, einfach machen. Will man immer nur anderen gefallen oder auf Instagram groß raus kommen, wird man nie seinen eigenen Stil finden. Ab und zu sollte man dann aber doch auf andere hören. Denn nicht jeder, der denkt er ist ein künstler, schafft auch Kunst.
Was machst Du in Deiner Freizeit gern?
Ist Freizeit sowas wie der Yeti? ich habe gehört das es sowas gibt aber gesehen habe ich es noch nicht :)
Stefan, danke für das Gespräch. Ich wünsche Dir, dass das Shooting mit Deinem Traummodel (siehe oben) eines Tages Realität wird.
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