"Glaubwürdigkeit und Authentizität sind unglaublich wichtig." - Die Fotografin Vanessa Wunsch im Gespräch mit Thomas Berlin

 

Vanessa Wunsch

Vanessa ist Vollzeit-Fotografin in Berlin und hat sich mit der Fotografie für Influencer-Kampagnen einen Namen gemacht. Wir sprachen darüber worauf es bei der Influencer-Fotografie ankommt, wie sie arbeitet und welche modernen Tools sie für ihren Workflow nutzt.

Foto: Selbstportrait

Thomas Berlin: Vanessa, du bist professionelle Fotografin in der People Fotografie. Heute würde ich mit dir gern über einen speziellen Teil deiner Arbeit sprechen: Deine Influencer Kampagnen und später vielleicht noch über deine freien Projekte. Starten wir mit der Influencer-Fotografie. Was ist für dich eigentlich Influencer Fotografie?

Vanessa Wunsch: Hi, ich freue mich, dass ihr euch für meine Fotografie interessiert und gebe euch gern einen kleinen Einblick. Zunächst als Überblick: ich mache neben Influencer-Fotografie auch Mode- und Produktfotografie und Portraits, aber auch Hochzeiten.

Deine erste Frage macht schon ein großes Thema auf. Die Art, wie heutzutage „Werbung“ gemacht wird, hat sich durch Instagram sehr verändert. Früher wurde eine Anzeige in einem Magazin gebucht, heute sind es Storys und Posts bei Instagram. Dabei ist es wichtig, authentischen und ehrlichen Content zu liefern. Als Follower vertraue ich auf das Wort und die Empfehlungen des Influencers. Glaubwürdigkeit und Authentizität sind unglaublich wichtig. Man hat eine Verantwortung gegenüber seinen Followern und muss sich selbst dabei auch treu bleiben. Mein Job ist es genau diese Anforderung hochwertig umzusetzen, ohne dass es zu gestellt oder unnatürlich ist. Außer es soll wirklich wie eine Parfüm-Kampagne oder Modestrecke aussehen, das kommt immer auf den Influencer oder Job an. Für mich ist es großartig, mit kreativen, starken Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten und gemeinsam kreativ eine Kampagne zu planen und umzusetzen. Es muss zu dem Stil des Influencers passen und den Vorstellungen der Brand entsprechen.

Thomas Berlin: Wie würdest du deinen fotografischen Stil jemandem beschreiben, der deine Bilder nicht kennt?

Vanessa Wunsch: Ich würde sagen, ich fotografiere sehr modern, feminin, zeitlos und stilvoll, bei der Bearbeitung achte ich sehr auf natürliche Hauttöne.

Thomas Berlin: Auf deinen Bildern der Influencer Kampagnen sehe ich meist junge schöne Frauen, die sehr natürlich und gleichzeitig hedonistisch wirken, ihr Leben im Griff haben und es genießen. Wie erreichst du die natürliche und positive Stimmung deiner Portraits?

Vanessa Wunsch: Die Verbindung zu meinen Models ist sehr wichtig. Sie müssen sich wohlfühlen und ich nenne es immer „sich selbst fühlen“. Das geht nur, wenn wir eine gute Connection haben, vorher etwas quatschen, sodass sie sich fallen lassen können. Die Atmosphäre bei meinen Shoots ist entspannt und ungezwungen, man kann sagen freundschaftlich. Ich möchte immer gute Stimmung am Set.

Thomas Berlin: Wieweit entspricht dieser Stil der Influencer-Kampagnen auch deinem Selbstverständnis? Ich meine, wie unterscheiden sich diese Jobs von deinen freien Projekten?

Vanessa Wunsch: Jedes Bild – egal ob Portrait, Modekampagne oder auch Hochzeit – trägt in gewisser Weise meine Handschrift bzw. ist durch meinen Stil geprägt und soll elegant, zeitlos aber auch authentisch wirken. Bei Jobs hast du natürlich viel mehr Vorgaben als bei freien Projekten, wo du mehr ausprobieren und experimenteller fotografieren kannst. Bei Jobs wo es um ein Produkt geht, steht dieses natürlich auch im Mittelpunkt und muss gut erkennbar sein. Aber ich würde nicht sagen, dass sie vom Stil besonders unterschiedlich sind.

Thomas Berlin: Wann ist ein Bild gelungen bzw. wann bist du damit zufrieden?

Vanessa Wunsch: Eine schwierige Frage. Wenn ich mehrere tausend Bilder von einem Shoot ansehe, weiß ich sofort, welche davon gut sind. Aber ich bin ehrlich gesagt selten „zufrieden“. Ich bin sehr selbstkritisch und denke immer, dass ich vielleicht noch mehr hätte herausholen können. Ich nenne das immer meine  „Foto-FOMO“ – die Angst davor, etwas Gutes nicht fotografiert zu haben.

Thomas Berlin: Wann sind deine Kunden mit den Bildern zufrieden?

Vanessa Wunsch: Ich kläre immer ganz genau im Vorfeld, was die Erwartungshaltung des Kunden ist, ich erstelle Moodboards und führe Vorgspräche. Das Ziel ist wirklich ein Gefühl davon zu bekommen, was der Kunde sich wünscht und was genau ihm wichtig ist und somit eine gemeinsame Vision zu schaffen. Ich möchte lieber im Vorfeld gut planen und kommunizieren, als im Nachhinein etwas abzuliefern, was nicht den Anforderungen entspricht.

Thomas Berlin: Deine Bilder wirken auf mich, als würdest du überwiegend das natürliche Licht der jeweiligen Tageszeit nutzen. Ist diese Wahrnehmung richtig? Kannst du beschreiben, wie du mit Licht umgehst?

Vanessa Wunsch: Am allerliebsten benutze ich natürliches Licht, da es einfach am schönsten auf Bildern wirkt. Ein Shooting im Sommer bei praller Mittagssonne ist jetzt aufgrund der Härte des Lichts nicht optimal, aber es findet sich immer eine schattige Ecke oder es kommt im richtigen Moment eine Wolke. Die Golden Hour ist da natürlich klar, mein Favorit auch wolkige Tage mag ich sehr. Wenn ich indoor shoote nutze ich auch am liebsten das Fensterlicht. Allerdings finde ich es wichtig, als Fotografin auch in der Lage zu sein, mit Kunstlicht zu arbeiten, da man nie sicher weiß, wie das Licht am Tag des Shoots ist. Wenn es an dem Tag einfach zu dunkel ist, helfe ich gern auch ein bisschen mit meinem Rollei Stablicht nach. Für manche Konzepte Indoor oder im Studio benutze ich super gern auch Blitze oder Dauerlicht. Gerade wenn es um Beauty- oder auch Produktfotografie geht, z.B. wenn das Parfüm und Gesicht oder Schmuck und Gesicht beides scharf sein soll und die Blende bei 10 ist geht es oft nicht anders. Ich habe immer, egal welches Shoot ein komplettes Licht Setup dabei, falls ich es brauche. Sonst liebe ich es auch mit Aufsteckblitz zu fotografieren. Das gibt oft einen super interessanten Look.

Thomas Berlin: Achtest du bewusst bei der Bildgestaltung auf das Licht oder gehst du eher intuitiv vor?

Vanessa Wunsch: Ich würde sagen je mehr man fotografiert, desto besser lernt man das Licht zu lesen. Ich finde, es ist fast die wichtigste Komponente für ein gelungenes Bild. Es ist wie eine Berufskrankheit, egal wo du bist, überall siehst du Shooting Locations und Licht. Also ja, Licht ist unglaublich wichtig für ein gelungenes Bild und ich achte definitiv sehr bewusst darauf.

Thomas Berlin: Hast du generelle Gestaltungsgrundsätze?

Vanessa Wunsch: Es gibt sicher Elemente oder Posen, die ich gerne verwende, aber ich kann nicht wirklich von Gestaltungsgrundsätzen sprechen. Ich benutze während eines Shoots gerne verschiedene Objektive und achte darauf, Ganzkörperbilder, halbnahe Bilder und Portraits zu machen sowie verschiedene Winkel auszuprobieren. Ich möchte gerne, dass eine Strecke abwechslungsreich ist. Auch fotografiere ich sehr viel mehr hochkant als quer.

Thomas Berlin: Wie läuft bei dir ein Fotoshooting ab? Welche Freiheiten hat das Model bzw. wie direktiv bist du?

Vanessa Wunsch: Ich finde eine der wichtigsten Fähigkeiten, als Fotograf ist es, ein Gespür dafür zu haben, wann du etwas sagen musst und wann du das Model einfach machen lassen kannst. Manche Models bieten so großartige Sachen an, weil sie ihre eigene Vision haben. Da lasse ich sie oft machen und gebe nur kleine Anweisungen wie „schau nochmal nach rechts“ oder „bleib so“, „geh dir nochmal durch die Haare“. So entstehen ganz tolle interessante Sachen, die super echt und authentisch oder sogar total verrückt sind. Wenn das Model Ideen hat, finde ich es schön, diese mit einzubeziehen, weil das Bild dann auch mehr zum Model passt. Wenn ich jedoch jemanden vor der Kamera habe, der unsicherer und unerfahrener ist, bin ich sofort da und leite etwas mehr durch das Shooting. Es ist mir super wichtig, dass die Person vor der Kamera sich zu jeder Zeit wohl und sicher fühlt und mir vertraut, dass ich sie gut aussehen lasse. Wenn das Shooting für einen Job ist, dann gibt es natürlich etwas mehr Vorgaben, aber auch hier ist es ein Zusammenspiel.

Thomas Berlin: Wie kommst du mit den Models bei deinen Jobs zusammen?  Gibt es da einen Unterschied zu den freien Projekten?

Jeder kann mich buchen und ich freue mich, egal ob Model oder nicht. Da ich hauptberuflich Fotografin bin, mache ich freie Projekte nur in sehr seltenen Fällen und nur fürs Portfolio oder Instagram, wenn ich etwas unbedingt umsetzen möchte und gerade etwas Luft habe. Ich fahre gerne auf „Content Reisen", hier sind wir dann eine Gruppe Fotografen & Models und shooten in der Zeit an traumhaften Orten, mit tollen Menschen. Meistens entsteht der Kontakt über Instagram.

Thomas Berlin: Wie wichtig ist dir dabei Schönheit im gängigen Sinne, sowohl beim Model als auch im finalen Bild?

Vanessa Wunsch: Ich sehe in jedem Menschen und in jeder Situation Emotionen und Schönheit und versuche jeden Menschen und jeden Moment in der schönst möglichen Weise festzuhalten und das Bild trotzdem authentisch wirken zu lassen. Ich retuschiere auch im Nachhinein die Haut oder die Umgebung, allerdings achte ich immer darauf, Charakteristiken zu behalten, die das Model oder die Umgebung ausmachen.

Thomas Berlin: Kannst du bitte noch etwas zu den Locations sagen?

Vanessa Wunsch: Locations sind für mich immer der schwierigste Teil, da ich immer versuche, neue Locations für meine Shoots zu finden. Ich möchte gerne immer neue Konzepte und Abwechslung ausprobieren und da spielt die Location definitiv eine wichtige Rolle. Im Sommer ist immer etwas mehr Auswahl und ich shoote gerne draußen, weil hier das Licht auch ganz anders ist, gerade gegen Sonnenuntergang. Bei Indoor Locations shoote ich gerne in verschiedenen Studios oder auch in Hotels oder suche über Portale wie Homemade Studio.

Thomas Berlin: Kommen wir kurz zur Technik: Mit welcher Kamera und welchem Objektiv fotografierst du am meisten?

Vanessa Wunsch: Ich fotografiere mit zwei Sony Alpha 7 III, dabei wechsle ich bei Portraits immer zwischen Sony 85 1.8, Sony/Zeiss 55 1.8 und Sigma Art 35 1.4. Wenn ich Hochzeiten fotografiere oder blitze benutze ich auch gerne das Tamron 28-75 2.8.

Thomas Berlin: Wie sieht dein Workflow aus?

Vanessa Wunsch: Ich speichere meine Bilder immer auf zwei Speicherkarten, solange das Projekt nicht in meinem Fotoauslieferungs-Programm Pic-Time hochgeladen und fertig bearbeitet ist, bleibt es auch auf einer Speicherkarte als Backup. Nach dem Shoot lade ich aber alle Rawdateien auf meinen Server. Von da aus erfolgt dann die Bildauswahl in Narrative-Select und dann die Bildbearbeitung in Lightroom, Fine Tuning passiert in Photoshop. Um die Bilder dann zum Download zur Verfügung zu stellen, benutze ich die Online Galerie von Pic-Time. Meine gesamte andere Organisation wie Kundenmanagement, Aufträge, Finanzen usw. findet in Notion statt. Moodboards mache ich super gerne mit Mila Note.

Thomas Berlin: Welche Fotografen und Models inspirieren dich?

Vanessa Wunsch: Bei der Frage möchte ich nochmal auf Instagram eingehen. Jeder verflucht Instagram ab und an mal, wegen des Drucks ständig neue Strecken abliefern zu müssen usw. Ich muss aber sagen, dass es mich und meine Fotografie so unglaublich pusht immer weiter kreativ zu sein, weil man so inspirierenden Content angezeigt bekommt. Durch Instagram habe ich ganz großartige Fotografen und Models kennengelernt, die mittlerweile sehr gute Freunde sind. Wir inspirieren und unterstützen uns alle gegenseitig, lernen voneinander und tauschen uns aus. Daher inspirieren mich sehr auch die Fotografen in meinem Umfeld wie Rico Reinhold, Thomas Albert, Lena Hogekamp oder Luise Blumenstengel. Was Hochzeitsreportagen angeht, liebe ich Katarina Fedora und auch sonst bin ich absoluter Fan von Nicolas Fols, Mehran Djojan, Kai Böttcher, Xenia Lau … die Liste ist endlos lang. Eine sehr besondere Inspiration was Models angeht ist für mich Wolfishglow, mit der ich viele tolle Strecken schon geshootet habe und die auch eine sehr gute Freundin geworden ist, mit der ich mich ständig austausche. Inspiration finde ich aber tatsächlich in allen Models, mit denen ich shoote, denn sie alle haben ihren besonderen Stil und eine eigene Vision.

Thomas Berlin: Mit welchem Model möchtest du unbedingt mal shooten?

Vanessa Wunsch: Anya Taylor Joy oder Angelina Michelle wäre mein absoluter Traum.

Thomas Berlin: Wie bereitest du dich auf ein Shooting vor? Und kommunizierst du vor dem Shooting gegenüber deinem Model eine Idee oder erstellst Moodboards?

Vanessa Wunsch: Ich shoote eigentlich immer mit einem Konzept, bei Jobs sowieso und auch wenn ich freie Shoots mache, plane ich vorher lieber etwas mehr. Es gibt fast immer ein Moodboard, vor allem da ich wie gesagt nicht mehr so viel Kapazität für freie Projekte habe und dann wirklich etwas Konkretes umsetzen möchte, was mehr Vorbereitung bedarf. Gerne organisiere ich auch jemanden für Haare & Make-up oder Styling. Bei Jobs ist ein Moodboard sowieso sinnvoll für mich, um Ideen zu visualisieren und mit dem Kunden besprechen zu können. Während des Shoots lasse ich mich jedoch trotzdem total treiben und reagiere gerne spontan auf die Location oder Situationen oder Umstände. Die besten Sets entstehen meist aus einer spontanen Idee oder Gegebenheit.

Thomas Berlin: Social Media ist natürlich für den Erfolg deiner Influencer-Kunden wichtig und damit auch für dich. Wie nutzt du Social Media bzw. was ist deine Social Media Strategie?

Vanessa Wunsch: Viele meiner Kunden kommen über Instagram, daher ist es für mich eine sehr wichtige Plattform. Ich versuche dort mindestens alle zwei Tage eine neue Strecke hochzuladen und auch etwas Einblick in Shoots und Privates zu geben. Ich stehe lieber hinter der Kamera, daher ist es eher eine Überwindung, auch mal mich zu zeigen. Aber mir ist wichtig, dass potenzielle Kunden sich einen Eindruck von mir und meiner Arbeit machen können. Außerdem liebe ich den Austausch und das direkte Feedback über Instagram. Dadurch, dass ich regelmäßig dort poste, habe ich den positiven Druck, kreativ zu sein und Shootings zu planen.

Thomas Berlin: Wie lange ist die Fotografie bereits dein Hauptjob?  Was hattest du vorher gemacht oder gelernt?

Vanessa Wunsch: Ich fotografiere jetzt seit zwei Jahren hauptberuflich. Ich habe ursprünglich Modedesign studiert und danach auch vier Jahre in einem Modeunternehmen gearbeitet. Dort habe ich viel zum Thema Ästhetik und Stil mitnehmen können.

Thomas Berlin: Wie und wann bist du eigentlich zur Fotografie gekommen? Und wie hast du dein fotografisches Wissen erworben?

Vanessa Wunsch: Ich habe gefühlt immer schon fotografiert, mein Opa war sehr Fotografie verrückt und hat mir viel gezeigt, wodurch ich mich schon früh dafür begeistert habe. Während meines Modedesign-Studiums war Fotografie auch ein wichtiger Bestandteil. Ich mochte es eigentlich immer lieber meine Kollektionen zu fotografieren, als sie zu entwerfen. Danach habe ich vier Jahre in der Modebranche gearbeitet und war in dem Rahmen auch verantwortlich für Fotos und Bildsprache. Ich habe auch immer selbstständig viel ausprobiert und mich viel mit Online-Kursen, YouTube und Podcasts weitergebildet. Irgendwann war klar, dass es für mich nur diesen einen Weg gibt und dass ich „all in“ gehen möchte. Ich bin so glücklich damit und möchte nie wieder etwas anderes machen.

Thomas Berlin: Was machst du in deiner Freizeit gerne, wenn du nicht fotografierst?

Vanessa Wunsch: Mir geht’s da wie vielen Solo-Selbstständigen, da ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe, ist die Trennung von Freizeit und Beruf sehr schwer, da ich mich in meiner „Freizeit“ auch viel mit Fotografie oder Fortbildung beschäftige. Ansonsten verbringe ich meine Freizeit so gut wie komplett mit meiner Familie und Freunden. Außerdem habe ich zusammen mit meinem Freund einen Camper Van ausgebaut, mit dem wir sehr gerne zusammen mit unserem Mops reisen.

Thomas Berlin: Vanessa, danke für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!


Vanessa ist erreichbar auf ihrer Website sowie auf Instagram. Feedback ist hier willkommen.

Alle Bilder zu diesem Interview: © Vanessa Wunsch.