„Im Hinblick auf den Körper bin ich nicht bloß ein kontemplatives, sondern auch ein begehrendes Wesen.“ - Die Zeichnerin Jana Schoger im Gespräch mit Thomas Berlin

Jana Schoger

Die Zeichnerin Jana lebt mit zwei Katzen in einem Dorf in NRW. Ihre erotischen Werke veröffentlicht sie auf Instagram. Wir sprachen über Kunst, Freiheit, den weiblichen Körper und einiges mehr.

Thomas Berlin: Jana, auf deinen Bildern sehe ich Menschen, überwiegend Frauen, denen ich spontan folgende Eigenheiten zuordnen würde: selbstbewusst, Spaß am Leben und an der eigenen Sexualität. Deine Darstellung wirkt nicht akademisch, wie z.B. Aktzeichnen an der Akademie, sondern frisch und comicmäßig. Kannst du mit dieser Sichtweise etwas anfangen oder wie würdest du deine Arbeiten beschreiben?

Jana Schoger: Ja, kann ich. Die weibliche Erotik ist gerade in Gefahr, zum Austragungsort einer woken Genderdebatte zu werden, was leider wie immer darauf hinausläuft, dass sie mit verschiedenen Darstellungsverboten und -geboten belegt wird: So und so darfst du eine Frau dann nicht mehr zeichnen, sonst bist du sexistisch, patriarchal, männlich-verkorkst oder whatever. Ich halte davon gar nichts. Erotik ist ein Zustand äußerster Freiheit und Selbstbestimmung, gerade die weibliche Erotik, und wo diese Freiheit verschwindet oder immer stärker reglementiert und „konsumentenfreundlich“ gemacht wird, sollte man aufmerken und nach den Interessen fragen, die im Spiel sind. Heute ist leider die irrwitzige Erschließung der Kinder als Konsumentengruppe Ursache für eine immer striktere Unterbindung erotischer Darstellungen. Das wird dann gerne als „gemeinsame moralische Standards“ verschwurbelt; in Wahrheit möchte man aber nur Mommy und Daddy nicht verärgern, die offenbar immer noch um die Erregung der sexuellen Fantasie ihrer Kinder weit mehr besorgt sind als um die Ausbeutung und Manipulation von deren Fantasiefähigkeit durch Leute, die völlig nutzlose Dinge verkaufen wollen. 

À propos Freiheit: Ich habe null akademische Ausbildung, habe mir alles, was ich kann, selbst beigebracht, durch ständige, jahrelange Übung, das Studium des Körpers und der Künstlerinnen und Künstler, die ich bewundere.

Ich selbst würde meine Arbeit übrigens gar nicht beschreiben, das können andere bestimmt besser. Beschreiben ist außerdem immer der Königsweg zur akademischen Langeweile, oder?

Thomas Berlin: Was ist deine Motivation, das zu zeichnen, was du zeichnest und nicht zum Beispiel Blumen oder Landschaften?

Jana Schoger: Der weibliche Körper ist das Schönste, was die Natur hervorgebracht hat. Ich bin davon begeistert, seit ich denken kann, und immer wieder aufs Neue. Blumen und Landschaften können da nicht mithalten; die langweilen mich bloß, wenn ich sie mir in Museen anschauen muss. Sorry, all ihr Landschaftsmaler da draußen: Ist nicht persönlich gemeint.

Thomas Berlin: Und was führte dich zu der erotischen Note?

Jana Schoger: Die Tatsache, dass ich im Hinblick auf den Körper nicht bloß ein kontemplatives, sondern auch ein begehrendes Wesen bin.

Thomas Berlin: Zeichnest du nach Fotos?

Jana Schoger: Ja, sehr viel sogar, gerade während der Pandemie. Aber am liebsten sind mir Videos; da kann ich Bewegungsabläufe in aller Ruhe studieren und mir den richtigen Moment, den ich zeichnen will, heraussuchen. Bei Fotos ist man ja immer von der ästhetischen Entscheidung des Fotografen (und des Models) abhängig, außerdem stellen sie nie einen wirklichen Bewegungsablauf dar, sondern eine Pose, die irgendeine Bewegung simuliert, die gar nicht stattfindet.

Thomas Berlin: Wie findest du deine Inspiration?

Jana Schoger: Überall. Selbst im verdammten Playboy (lacht).

Thomas Berlin: Hast du künstlerische Vorbilder? 

Jana Schoger: Viel zu viele, fürchte ich. Ein großes Vorbild ist zum Beispiel die spanische Comiczeichnerin Ana Miralles, eine tolle, gebildete und schöne Frau, eine Meisterin der Erotik wie keine zweite, die ganz minimalistisch wunderschöne Körper zeichnen kann und sie dann herrlich mit Aquarellfarben koloriert. 

Thomas Berlin: Kommen wir zur Technik. Wie bzw. womit zeichnest du?

Jana Schoger: Seit zwei Jahren nur noch auf dem iPad und mit der Software Procreate. 

Thomas Berlin: Welchen Rat würdest du einem visuellen Menschen geben, der gern zeichnen würde? 

Jana Schoger: Lerne es, indem du es tust. Und erwarte keine Wunder. Zeichnen braucht, wie alles, viele Jahre, um zu reifen. 

Thomas Berlin: Zeichnest du nur aus Passion oder auch im Auftrag? 

Jana Schoger: Hauptsächlich aus Passion, ganz selten im Auftrag. Ich habe das Privileg, mir das so leisten zu können. Anders ginge es vermutlich auch gar nicht, da für mich die Vorstellung, mich wochen- und monatelang künstlerischen Vorgaben anderer Menschen zu unterwerfen, absolut unerträglich ist. 

Thomas Berlin: Siehst du dich als Künstlerin oder Handwerkerin?

Jana Schoger: Der Unterschied ist mir nicht klar. Selbst ein archetypischer Künstler wie Michelangelo war meistenteils ein Handwerker, insofern er Dinge tun musste, die jeder viel weniger begabte Kunsthandwerker zu seiner Zeit auch tun musste: Gerüste bauen, Farben mischen, Entwürfe zeichnen usw. Geniale Ideen sind das eine; ihre geduldige, handwerklich saubere Umsetzung das andere. 

Thomas Berlin: Fotografierst du auch?

Jana Schoger: Nein, gar nicht.

Thomas Berlin: Was möchtest du in den nächsten Jahren künstlerisch erreichen?

Jana Schoger: Eine Künstlerin, ein Künstler erreicht eigentlich gar nichts, denke ich, sondern etwas erreicht sie oder ihn. Das ist ja auch das Quälende für alle, die als Kreative unter einem berufsmäßigen Planungszwang stehen: dass sie ihre Fantasie, die eigentlich etwas Unverfügbares ist, gewissen Routinen und Erfolgsrezepten unterwerfen müssen. Ich plane so wenig wie möglich, und so lange ich etwas zum Zeichnen habe und dabei glücklich bin, habe ich auch etwas gewonnen.  

Thomas Berlin: Was machst du privat gern, wenn du nicht zeichnest?

Jana Schoger: Lesen, singen und alte Filme schauen.

Thomas Berlin: Jana, danke für deine Einblicke.

Alle Zeichnungen: © Jana Schoger. / Feedback zum Interview gern hier.