THOMAS BERLIN

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"In der Natürlichkeit finde ich Schönheit und Charakter" - Der Fotograf Hannes Caspar im Gespräch mit Thomas Berlin

Thomas Berlin: Hannes, du bist bekannt für deine Portraits, meist von Künstlern. Wie würdest Du selbst Deinen Bildstil beschreiben?

Hannes Caspar: Alles ist bei mir sehr reduziert, der Mensch steht meist im Fokus. Ich suche das ungewöhnliche, intensive und schöne im Menschen. Am liebsten analog.

Thomas Berlin: Welche Bedeutung haben dabei für dich Schönheit, Natürlichkeit und Charakter?

Hannes Caspar: Eine sehr große. Alles hängt miteinander untrennbar zusammen. In der Natürlichkeit finde ich erst die Schönheit und den Charakter.

Thomas Berlin: Wann bist Du mit einem Bild zufrieden? Oder anders gefragt: Was ist eigentlich ein gutes Foto?

Hannes Caspar: Ein gutes Foto ist ein Foto mit Substanz und Tiefe in schönem Licht. Ich bin zufrieden, wenn es mich selbst berührt.

Thomas Berlin: Braucht ein Bild eine Aussage?

Hannes Caspar: Ein Bild, das nichts erzählt, ist nicht viel wert. Und es ist auch nicht schwer ein solches zu produzieren. Nur die Bilder, die in uns etwas Größeres auslösen bleiben in Erinnerung.

Thomas Berlin: Wie ist dein Anteil freier Arbeiten vs. Auftragsfotografie?

Hannes Caspar: Schwer zu sagen, alles ist phasenabhängig. In letzter Zeit habe ich leider nur wenig Gelegenheit für freie Arbeiten gefunden.

Thomas Berlin: Wie lange lebst du bereits von der Auftragsfotografie und wie bist du dazu gekommen? Wie findest du deine Kunden?

Hannes Caspar: Ich lebe bereits seit 2009 von der Fotografie. Alles ergab sich fließend, ich habe viel und gerne fotografiert. Erst ohne Vergütung, um mein Portrait Portfolio aufzubauen, doch dann wurde ich zum Glück immer weiter empfohlen und konnte gegen Honorar fotografieren. Ich genieße das große Privileg, dass die Kunden mich finden. Ich selbst mache kein Marketing, hin- und wieder zeige ich meine Arbeiten auf Instagram. Das war’s aber auch schon.

© Hannes Caspar

Thomas Berlin: Kommen wir zu den freien Arbeiten. Wonach suchst Du die Menschen aus, mit denen du deine freien Arbeiten macht? Und wie unterscheiden sich diese Arbeiten von der Auftragsfotografie?

Hannes Caspar: Ich bin da leider sehr bequem und ergreife wenig Initiative. Oft werde ich auf Instagram angeschrieben und entscheide dann, ob es passt oder nicht. Freies arbeiten bedeutet mir sehr viel, es gibt keine großen Erwartungen zu erfüllen und ich fühle mich dadurch erst frei und kreativ. Ich lasse mich komplett von meinem Gegenüber inspirieren und habe eigentlich nie ein Konzept. Alles entsteht aus meinem Bauchgefühl und in der Kommunikation mit dem Model.

Thomas Berlin: Wie kann man sich ein Portraitshooting bei dir vorstellen? Wie ist der Ablauf, wie lange dauert es und worauf kommt es dir dabei besonders an?

Hannes Caspar: Eigentlich ist alles sehr unkompliziert. Ich bespreche am Telefon die Shooting-Details und man bekommt gegenseitig schon mal ein Gefühl füreinander. Am Shootingtag wird das Gespräch fortgesetzt und dann wird irgendwann für 3-4 Stunden fotografiert. Wichtig ist immer das Vertrauen und Verständnis füreinander. Nur so entsteht Intimität und eine angenehme Atmosphäre. Zum Glück sind fast alle immer sehr offen und es ist für mich einfach, einen Zugang zu bekommen.

Thomas Berlin: Deine Bilder sehen sehr natürlich aus. Wie gehst Du mit Licht um bzw. welche Lichtquellen nutzt du?

Hannes Caspar: Ich benutze ausschließlich das Tageslicht und einen Reflektor. Ich mag es, mich den jeweiligen Lichtsituationen anzupassen und stets aus allem das Beste zu machen. Nur ganz selten (z.b. bei Werbejobs) wird kontrolliert geblitzt.

Thomas Berlin: Wonach entscheidest du, wie du die Person vor dir in Szene setzt, welche Gesichtsseite betont wird, ob ein neutraler Hintergrund zum Einsatz kommt oder die Umgebung sichtbar sein soll?

Hannes Caspar: Eigentlich entscheide ich immer nach dem Licht. Ich überprüfe mit meinen Augen, wie es ausschaut, gebe Anweisungen und fotografiere dann. Oder ich lasse mich von den Bewegungen meines Models und den Raumeigenschaften inspirieren.

Thomas Berlin: Wann entscheidest du dich für Farbe und wann für schwarz-weiß?

Hannes Caspar: Wenn es digital ist, probiere ich in Photoshop beides aus und entscheide dann nach Gefühl.

Thomas Berlin: Hast du ein Farbkonzept oder bestimmte Vorlieben?

Hannes Caspar: Auch das entscheide ich spontan und nach Gefühl. Wenn es analog ist, ändere ich nur sehr wenig.

© Hannes Caspar

Thomas Berlin: Wie wichtig ist die Location?

Hannes Caspar: Sie hat definitiv einen Einfluss und ich lasse mich gern davon inspirieren. Aber noch wichtiger ist immer das Licht und der Mensch.

Thomas Berlin: Welche Fotografen findest du inspirierend oder einfach besonders gut?

Hannes Caspar: Da gibt es einige. Ich lasse mich gern von Fotografen auf Instagram inspirieren oder ich schaue in meine Fotobücher wie z.b. Peter Lindbergh, Paolo Roversi, Diane Arbus, Helmut Newton, Patrick Demarchelier, Richard Avedon.

Thomas Berlin: Du bist mir als Analogfotograf bekannt. Wann bist du analog bzw. wann digital tätig?

Hannes Caspar: Ich erarbeite mir mit der digitalen Kamera Momente und setzte dann oft meine analoge Kleinbild oder Mittelformat Kamera ein. Oft ergeben sich aber auch aus dem schnelleren Workflow mit der Digitalen schöne Ergebnisse.

Thomas Berlin: Warum fotografierst du eigentlich überhaupt analog? Digital ist doch einfacher und qualitativ besser, oder?

Hannes Caspar: Das Analoge hat eine größere Erzählkraft. Es ist nicht perfekt scharf, aber es berührt mich mehr. Die Tiefenschärfe, die Farben, die Tonwerte, das Bokeh. Einfach schön.

Thomas Berlin: Nehmen deine Kunden analoge Aufnahmetechnik anders wahr? Wirst du manchmal explizit für analoge Fotografie gebucht?

Hannes Caspar: Ja, viele schätzen das sehr und buchen mich auch deshalb. Andere wiederum brauchen die absolute Kontrolle und erwarten ausschließlich digitales Material.

Thomas Berlin: Ist der aktuelle analoge Trend ein Hype oder nachhaltig? Wird ein ansonsten langweiliges Bild durch analoge Technik manchmal doch noch akzeptiert?

Hannes Caspar: Ich kann die Faszination nachvollziehen, da es nunmal so viel schöner ist. Leider aber auch sehr kostspielig. Trotzdem ist natürlich ein analoges Bild ohne Aussage immer noch ein langweiliges Bild.

Thomas Berlin: Verwendest du bei der analogen Fotografie 35er oder 120er Filme? Welche?

Hannes Caspar: Sowohl als auch. Ich habe gute Erfahrungen mit dem 35er Fuji C200 und Portra 400 oder dem 120er FujiPro 400H und Ilford HP5 Plus.

Thomas Berlin: Mit welchen Kameras und Objektiven arbeitest du besonders gern?

Hannes Caspar: Digital mit der Canon 5D Mark IV oder Canon 6D Mark II. Fast ausschließlich mit einem 50mm 1.2 Objektiv. Analog mit der Canon EOS 3 oder Pentax 67. Ebenfalls 50mm (Canon) oder 105mm (bei der Pentax). Ich habe bisher gute Ergebnisse damit machen können und werde wahrscheinlich auch weiterhin so arbeiten.

Thomas Berlin: Wie ist Dein analoger Workflow?

Hannes Caspar: Ich gebe die Filme in das Labor zur Film-Entwicklung und scanne dann selbst alles mit meinem Epson V800-Scanner. Die Bilder bearbeite ich dann anschließend leicht nach.

Thomas Berlin: Ist Dein Bild final, wenn das Negativ gescannt und bearbeitet ist oder strebst Du Dein Ergebnis auch als Print an?

Hannes Caspar: Nur sehr selten printe ich meine Bilder aus. Allerdings würde die Qualität der Scans für passable Prints ausreichen.

© Hannes Caspar

Thomas Berlin: Ist ein Bildband geplant?

Hannes Caspar: Es wird längst Zeit! Doch genau „Zeit“ ist das Problem.

Thomas Berlin: Hannes, noch einige Fragen zu Dir persönlich. Wie und wann bist du überhaupt zur Fotografie gekommen?

Hannes Caspar: Ich habe früher als Webdesigner gearbeitet und habe mich irgendwann sehr gelangweilt. Es entstand also aus einer Art Flucht. Ich fotografierte zunächst eher grafisch und abstrakt, und erst später faszinierten mich Portraits und Akt.

Thomas Berlin: Wie hast du Fotografie gelernt?

Hannes Caspar: Ich bin mit Leib und Seele Autodidakt.

Thomas Berlin: Warum fotografierst du Menschen und nicht z.B Architektur oder anderes?

Hannes Caspar: Weil ich finde, nichts ist so spannend wie der Mensch.

Thomas Berlin: Wie hast du dich selbst in den letzten Jahren fotografisch weiter entwickelt? Was möchtest du in den nächsten Jahren gern erreichen?

Hannes Caspar: Ich habe einfach fotografiert, weil es mir Spaß macht. Und hin und wieder hinterfrage ich meine Arbeit und der Anspruch an mich selbst wächst. Ich möchte zukünftig noch künstlerischer und ungewöhnlicher fotografieren.

Thomas Berlin: Was machst Du neben der Fotografie gern?

Hannes Caspar: Ich mache Musik und möchte das zukünftig auch weiter ausbauen.

Thomas Berlin: Hannes, herzlichen Dank für das Interview.


Hannes ist in Internet zu finden über seine Website sowie auf Instagram. Feedback zum Interview gern hier.

Bilder oben: © Hannes Caspar