THOMAS BERLIN

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“Ich finde Menschen großartig” - Ben Hammer im Gespräch mit Thomas Berlin

Thomas Berlin: Ben, du bist beruflich Fotograf, Studiobetreiber, Buchautor, Blogger. Habe ich etwas übersehen?

Ben Hammer: Ich glaube nicht, manchmal komme ich aber selbst durcheinander (lacht). Aber das klingt eigentlich sehr ausführlich. Vielleicht hätte ich vor einem Jahr noch Veranstalter dazugeschrieben, aber das hat sich mit Corona in diesem Jahr etwas in den Hintergrund geschoben.

Thomas Berlin: Was beschäftigt dich zeitlich am meisten? Und was machst du am Liebsten?

Ben Hammer: Das ist schwer zu sagen, ich mache sehr sehr viele Dinge sehr gerne. In Abständen und abwechselnd. Mir wird langweilig, wenn ich etwas zu lange mache. Wenn ich mich aber entscheiden müsste, was ich am aller liebsten mache und auf die letzten Jahre blicke und gucke, was mich bis heute begleitet, würde ich sagen: Am liebsten sitze ich mit Menschen zusammen, unterhalte mich, rauche und trinke und genieße das Leben mit guten Gesprächen, tollen Ideen und inspirierenden Menschen.

Thomas Berlin: Kommen wir zu dir als Fotograf. Du bist mir bekannt für Bilder, die an Schnappschüsse erinnern und irgendwie das Unperfekte feiern. Vielleicht sollte ich auch sagen, das Authentische. Wie würdest Du Deinen Bildstil beschreiben?

Ben Hammer: Genau so (lacht).

Thomas Berlin: Wenn ich nun behaupten würde, der Bildstil eines authentischen Fotografen ist Ausdruck seiner Persönlichkeit: Was würde das über dich aussagen? Wie würdest du selbst deine Persönlichkeit beschreiben? 

Ben Hammer: Interessante Frage, sich selber zu beschreiben, ist natürlich immer schwer. Aber wahrscheinlich würde ich sagen, dass ich sehr ehrlich bin, oft offen manchmal aber auch eher verschlossen. Und dass man mir wahrscheinlich anmerkt, wenn man mich nicht am Rechner antrifft, dass ich viele Dinge nicht so ernst nehme und mir ziemlich viel, was anderen vielleicht wichtig wäre, ziemlich egal ist. Was mich dann auch zu meinen Fotos bringt und warum ich oft das „unperfekte“ Foto von einem Mitmenschen als das bessere Abbild seiner Persönlichkeit empfinde als das Studioportrait, was ich von ihm gemacht habe.

Thomas Berlin: Deine Bilder sehen sehr spontan aus, wie schon gesagt. Ist das eine bewusste Inszenierung oder ergibt sich das quasi als Schnappschuss am Set?

Ben Hammer: Die, die spontan aussehen, sind meist spontan. Ich gucke bei meinen analogen Shootings kaum noch durch den Sucher. Ich würde versuchen, es so zu beschreiben: Wenn die Musik im Studio läuft und sich das Model, während ich den Film einlege, ein wenig langweilt und vielleicht anfängt zu tanzen, bin ich der, der sagt, tanz einfach weiter und beginne drauf zuhalten. Ziellos drumherum zu laufen und der Spontanität zu vertrauen. Am Ende belohnt mich der Film meist. Und das eine Bild ist dabei, was den Moment repräsentiert, während ich mit dem Versuch, etwas wie eine „Tanzbewegung“ nachzustellen, oft mit den Ergebnissen unzufrieden bin. Abstrakte Beschreibung, aber irgendwie trifft es das ganz gut. Ich schaffe einen Raum, eine Idee, der Rest passiert.

Jana / © Ben Hammer

Thomas Berlin: Braucht ein Bild eine Aussage?

Ben Hammer: Nein, es braucht nur keine nackte Frau mit HighHeels im Bett, weil ich dann denke, was für ein Quatsch. Aber ansonsten bestimmt der Betrachter die Aussage des Bildes und die kann ich als Urheber nicht kontrollieren, maximal vielleicht den Interpretationsspielraum eingrenzen. Ein schönes Bild kann auch gar keine Aussage haben bei der Entstehung und sie erst mit der Verwendung kann der Betrachter im Nachhinein eine Aussage entwickeln. Für mich total legitim.

Thomas Berlin: Wann bist Du mit einem Bild zufrieden? Oder anders gefragt: Was ist eigentlich ein gutes Foto?

Ben Hammer: Wenn ich am Ende entweder ein Bild habe, was in meinen Augen den Menschen darstellt, wie ich ihn wahrgenommen habe, auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist. Oder es in mir was auslöst, was ich auch noch nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren als gut beschreiben würde.

Thomas Berlin: Wie ist dein Anteil freier Arbeiten vs. Auftragsfotografie? Was machst du frei und was im Auftrag?

Ben Hammer: Wahrscheinlich mache ich 90% Frei und 10% im Auftrag. Wobei sich das durch meine Bücher stark verändert hat, weil ich einfach viel weniger fotografiere, wenn ich keine Verwendungsmöglichkeiten oder Ideen im Hintergrund habe. Content für Instagram zählt für mich langsam nicht mehr als Grund.

Meine Auftragsarbeiten sind meist Portraits- oder Reportagen. Entweder begleite ich Musiker / Künstler oder eben Marken, die Bilder für ihre Kommunikation brauchen. Digital, analog, alles. Mein Schwerpunkt ist meist der Online-Content. Zunehmend darf ich dabei Kunden auch direkt beraten und die visuelle Ausgeschalten mit konzipieren. Das macht mir Spaß, weil ich nicht mehr nur Bilder abgebe, sondern praktisch bei der Verwendung und den Einsätzen mitreden darf. Etwas, was ich über die letzten Jahre immer mehr zu Schätzen gelernt habe.

Thomas Berlin: Kommen wir zu den freien Arbeiten, wozu ich auch deine Buchprojekte zähle. Was ich gesehen habe, sind Menschen. Warum eigentlich?

Ben Hammer: Ich finde Menschen großartig. Das war schon immer so. Und es ist etwas, aus dem ich sehr viel Motivation und Kraft ziehe. Selbst nach dem längsten Tag und der härtesten Produktion kann mich ein gutes Gespräch sehr selig machen. Ich liebe es, mit Menschen Zeit zu verbringen und aus ihren Erfahrungen, Geschichten, Ansichten etwas zu lernen und auch mein eigenes Weltbild und meine eigene Geschichte zu hinterfragen. Was für manche anstrengend sein kann, ist für mich jedes Mal eine Bereicherung. Deswegen fotografiere ich Menschen.

Thomas Berlin: Wonach suchst Du deine Models, Themen und Moods aus? 

Ben Hammer: Ganz verschieden, meist wachsen Ideen und Themen über Jahre heran. Mal ist es ein Film, dann mal ein Song. Viel sehe ich woanders, was mich berührt, vieles sind Themen, die mich selbst beschäftigen. Rauche ich gerne und viel, will ich dieses Thema irgendwie im Buch behandeln. War meine Oma ein prägender Mensch in meinem Leben, möchte ich, dass sie im Buch vertreten ist. Habe ich eine Erinnerung an jugendliche Tage, Nachtspaziergänge, die mich mit einem guten Gefühl füllen, versuche ich Bilder zu finden, die dieses Gefühl in mir auslösen und versuche Ähnliches zu produzieren. 

Meine Models finde ich dabei überwiegend auf Instagram oder eben auf Veranstaltungen, wo man mal ins Gespräch kommt. Dann schlage ich oft Ideen vor und gucke, wer dazu passen könnte und ob das Model vielleicht sogar eine eigene Verbindung zum Thema und der Idee hat.

Thomas Berlin: Wie kann man sich ein Shooting bei dir vorstellen? Wie ist der Ablauf, wie lange dauert es, worauf kommt es dir dabei besonders an? 

Ben Hammer: Also wenn es der letzte Termin am Tag ist, sitzen wir meist erstmal ne Stunde am Tisch und quatschen. Dabei rauche ich 20 Kippen und trinke 15 Kaffee, manchmal sind die Gespräche so gut, dass ich gar keine Lust zum fotografieren habe. Irgendwann überwinde ich diese Unlust und wir starten. Meist dauert das Shooting nicht länger als 1 Stunde, ich habe mal entschieden nie mehr als 2 Looks bzw. 2 Sets zu fotografieren. Je nach Vibe mache ich dann noch einen Analogfilm und dann sitzen wir wieder am Tisch und quatschen. Mal länger, mal kürzer.

Thomas Berlin: Wie bereitest Du Dich auf Shootings vor? Gehst Du spontan oder mit einem Konzept ins Shooting?

Ben Hammer: Da ich immer zwei Strecken machen möchte, sehe ich immer zu, dass ich eine Licht oder Set-Idee habe. Das zweite Set entscheide ich spontan, wenn ich sehe wie das Model vor der Kamera funktioniert und was zu ihr noch passen könnte. Dann entscheidet oft der Vibe, ob es experimenteller wird oder ich einfach nochmal neues Licht oder neue Settings ausprobiere. Beim analogen Film zum Abschluss lass ich mich dann einfach treiben und improvisiere komplett mit meinem Gegenüber.

Das passiert meist alles in meinem Kopf. Die größere Vorbereitung ist zu checken, ob Kaffee und Wasser da sind, das Studio aufgeräumt ist und es ggf. auch Hafermilch oder Sojamilch gibt. 

Thomas Berlin: Wie gehst Du mit Licht um bzw. welche Lichtquellen nutzt du?

Ben Hammer: Also inzwischen gibt’s eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Aufsteckblitz frontal von meiner Contax, den Look liebe ich analog. Oder ich baue halt Licht auf. Gerne ein weiches Hauptlicht und dann schön harte Konturlichter. Entweder mit meinen ProFoto D2 oder meinem B10. Ich mags tatsächlich sehr, Portraits künstlich auszuleuchten oder Kunstlicht mit Tageslicht zu mischen. 

Thomas Berlin: Welche Lichtformer verwendest du?

Ben Hammer: Gerne Oktaboxen, hab aber auch Striplights für die Konturlichter. Mag aber tatsächlich auch mal eine Snoot oder einen Beautydish. Was ich auch immer mag, ist tatsächlich in die Zebra Reflektoren von Sunbounce reinzuschießen. Für Unterwegs wird es dann meist etwas kleiner mit Schirm oder kleinerer Oktabox.

Thomas Berlin: Irgendwo habe ich bei dir mal gelesen: "Die Stimmung ist wichtiger, als der Inhalt". Was bedeutet das für deine Fotografie? Ist das vielleicht auch eine Metapher in deinem Leben?

Ben Hammer: Haha eine sehr gute Frage, da müsste ich jetzt länger darüber nachdenken, ob das wirklich eine Metapher für mein ganzes Leben ist, aber ja, es steckt sehr viel Wahres drin, in vielen Bereichen. Vielleicht sollten wir dafür aber besser einen Podcast aufnehmen, bevor ich hier zu weit ausschweife (lacht). 

Thomas Berlin: Du bist als Analogfotograf bekannt. Bist Du wirklich zu 100% analog?

Ben Hammer: Nein, tatsächlich nicht. Es gibt immer so Phasen. Meine Jobs mache ich zu 90% digital, aber das analoge wird in den freien Arbeiten von Jahr zu Jahr mehr. Am Anfang hab ich noch digitale Backups geschossen, aber auch das mache ich kaum noch. 

Thomas Berlin: Warum fotografierst du eigentlich analog? Digital ist doch einfacher, schneller, besser, oder?
Ben Hammer:
Das ist mit meinem ersten Buch gekommen, als ich gemerkt habe, dass mir die Snapshots mehr geben als andere Bilder, die ich mache. Damals wollte ich eine kleine kompakte Kamera, die ich immer dabei habe, die aber auch keine 600 Euro kostet. Dann wurde es die Olympus Mju 2 und ein paar Jahre später merkte ich, dass Film und analoge Point-and-Shoots auch wirklich in Clubs und Konzerten besser funktionieren. Der Fokus ist schneller, das Bild geiler, und wenn irgendwann die Scans aus dem Labor kommen, bin ich glücklich. Darum habe ich das analoge Thema immer weiter ausgebaut, seit meinem ersten Buch.

Thomas Berlin: Nicht nur du hast das analoge Thema ausgebaut. Ist der aktuelle analoge Trend ein Hype oder nachhaltig? 

Ben Hammer: Ich glaube, es wird gehypt, weil so viele mit ihren Sachen öffentlich sichtbar sind. Ich für meinen Teil kann mir aber nicht mehr vorstellen, dass ich irgendwann nur noch digital arbeiten werde. Also glaube ich, dass es bei vielen, auch professionellen, Fotografen nachhaltig wird, bleibt und ist.

Thomas Berlin: Mit welchen Kameras und Objektiven arbeitest du besonders gern? Warum? 

Ben Hammer: Digital alles mit meiner Leica Q2, ist einfach perfekt für mich. Größe, Robustheit, Schnelligkeit. Analog sehr gerne mit meiner Contax G2 und einem 35mm Objektiv mit Aufsteckblitz. Ich liebe es, dass ich mir keine Gedanken über die Einstellungen machen muss und ich mich voll aufs Model, das Setting und den Vibe konzentrieren kann. Das hat sich über die Jahre als guter Weg für mich herausgestellt. Ich liebe Technik, aber ich liebe Technik die nicht nervt und zickt. Und da ist die Contax G2 perfekt.

Thomas Berlin: Hast du Lieblingsfilme? 

Ben Hammer: Ganz klar: Ilford HP5 für Schwarz-Weiß oder Kodak Gold 200 für Farbe. Aber ich hatte letztens von Mein Film Lab auch einen CineGrell, der unfassbar schön aussieht, und mag auch den Solaris, der aber nicht so einfach zu bekommen ist.

Thomas Berlin: CineGrell? Ich kenne CineStill … 

Ben Hammer: … tatsächlich CineGrell, ist aus der Schweiz!

Kitrysha / © Ben Hammer

Thomas Berlin: Wie ist Dein analoger oder hybrider Workflow? Was machst du selbst und was gibst du in ein Labor?

Ben Hammer: Ich mache tatsächlich gar nichts selbst. Die Filme gehen 1x im Monat zu „Mein Film Lab“, irgendwann bekomme ich die Scans, die werden dann auf meinem Server archiviert. Ich mache daraus noch Web-Exports und das wars. Von da gehen sie für die Übergabe nochmal auf mein PicDrop. Vieles davon, wie jetzt für Paradies auch, liegt dann auch ein paar Jahre auf der Platte, bis die Idee und Verwendung kommt, wo sie reinpassen.

Thomas Berlin: Ist Dein Bild final, wenn das Negativ gescannt und bearbeitet ist oder strebst Du Dein Ergebnis auch als Print an?

Ben Hammer: Ja, mit den Scans bin ich dann durch, wenn die aus dem Labor kommen. Für „Paradies“ habe ich tatsächlich 5 Bilder im Nachgang noch einmal bearbeitet und das ein oder andere störende Element herausgeshoppt. Bei Buch 1 sind lediglich die Kontraste für den Druck angepasst, bei „Tage Danach“ sind alle Bilder out of cam. Es gibt einige Prints von mir zu kaufen. In meinem Onlineshop zu den Büchern passende Motive oder bei Photocircle ein paar ausgewählte. Sobald ich neue Veranstaltungen plane, denke ich auch immer über die Präsentationsform nach. Mal sind es viele kleine Motive, mal sehr wenige große. Es kommt immer drauf an, welche Aussage ich tätigen will, und das macht mir unglaublichen Spaß, auch die Fotografie durch Präsentationsformen noch einmal anders darstellen zu können.

Thomas Berlin: Kommen wir zu deinen Fotobüchern. Warum machst du überhaupt Bücher und warum als Bildgeschichte mit starken Bezügen zu dir selbst?

Ben Hammer: Ich glaube, es ist von jedem, der irgendwas kreiert, immer ein Traum, das Ergebnis auch mal haptisch und nicht nur digital zu publizieren. Als ich mit der Fotografie angefangen habe, entwickelte sich dieser Traum auch in mir. Dass ich ihn so schnell erreichen würde, war natürlich nicht selbstverständlich. Und auch nicht angestrebt. Aber irgendwie hat es mich dahin getrieben. Ich glaube, die schlussendliche Entscheidung fiel, als ich meinen Kurator Sebastian H. Schroeder kennenlernte und sah, wie er durch die Anordnung und Sortierung von Fotos ganz eigene Geschichten kreierte. Und dann hatte ich diesen Haufen an Fotos, die ich ein Jahr lang gemacht hatte und dachte, vielleicht ist das genau das Richtige, statt einfach seine Arbeit in eine Art Mappe oder Portfolio Buch zu packen. In dem ganzen Prozess und noch heute weiß ich, dass es genau die richtige Entscheidung war. Dass dann auch noch das Crowdfunding erfolgreich war, gab mir die Gewissheit, es zu machen. Ich habe die Entscheidung bis heute nicht bereut. Und wenn man es einmal gemacht hat, will man mehr. Das kann, denke ich, jeder verstehen, der auch nur einmal ein Foto, das er geschossen hat, als Print ausgedruckt hat.

Das mit den Bildgeschichten ist übrigens entstanden, weil ich ein Buch von Ben Bernschneider in den Händen hatte und an mir selbst merkte, dass mir diese Art von Fotobuch einfach besser und länger gefällt, als ein klassisches Coffee Table Book mit großen Bildern. 

Thomas Berlin: Fotografierst du teilweise gezielt für Buchprojekte oder wählst du die Bilder teilweise aus deinem Konvolut aus?

Ben Hammer: Während Band 1 zum Beispiel seine Geschichte aus einem Haufen an Fotos und meinen Erfahrungen und emotionalen Verbindungen praktisch im Nachgang bekommen hat, indem wir die Fotos in eine Reihenfolge brachten, ist Band 2 viel konzeptioneller entstanden. Ich hatte also schon die Geschichte im Kopf, brauchte aber das Model und die Fotos. Da haben wir gezielt Szenerien, Strecken und Motive geschossen, die dann an den entsprechenden Stellen zum Einsatz kommen. Bei Band 3, „Paradies“, ist es jetzt wieder anderes. Hier habe ich mich einfach wieder treiben lassen, mehr fotografiert, was ich sonst nie fotografiert hatte und dazu Motive gemischt, die ich gerne hätte. Hier kamen jetzt aber auch noch Bilder zum Einsatz, die ich während „Tage Danach“ in Farbe fotografiert hatte, die aber nie einen Einsatz gefunden haben, weil ich in den Jahren rund um „Tage Danach“ eigentlich ausschließlich schwarz-weiße Fotografien veröffentlicht habe.

Thomas Berlin: Ich habe jetzt von dir drei Bücher gezählt. Wie gehst du an ein Buchprojekt inhaltlich ran? Und was hast du gelernt bzw. was machst du heute anders als beim ersten Buch?

Ben Hammer: Ich habe vor allem in Band 1 gemerkt, dass es viel Bildmaterial für die Story braucht, was nicht so offensichtlich ist. Oder auch gar nicht so Portrait lastig, weil du sonst einfach nur Mensch an Mensch reihst. Deswegen ist der Blick auf diese Motive auch bei Shootings in den letzten Jahren wichtiger für mich geworden. Inzwischen habe ich dadurch auch wieder neue Ideen für neue Bücher, die sich aber auch dort jetzt mehr auf neue Formate, Papierformen, Präsentationsformen als nur auf die bildlichen Inhalte konzentrieren. Es kann also zum Beispiel sein, dass sich die Idee für ein großes Hardcover Buch verstärkt und ich irgendwann in diesem Prozess auf einmal ein Thema finde, was sich für mich genau für dieses Format anbietet. Es ist eine starke Wechselwirkung inzwischen allem. 

Thomas Berlin: Du verlegst deine Buchprojekte selbst, oder? Welche Vorteile oder Nachteile sind damit verbunden? 

Ben Hammer: Der für mich größte Vorteil ist, dass ich machen kann was ich möchte. Niemand redet mir rein, ich kann so viele Exemplare verschenken wie ich will, den Preis selbst bestimmen. Einfach alles. 

Der Nachteil ist natürlich, dass ich nur die Menschen erreiche, die sich in meinem digitalen Dunstkreis befinden, weil es eben keine Orte gibt, an denen man zufällig über meine Bücher stolpert, wie in einer Buchhandlung oder an anderen Orten.

Thomas Berlin: Worauf muss man beim Selbstverlag besonders achten? Und wie kalkulierst du die Auflage und dem Preis? Kannst du bitte noch etwas zum Marketing sagen?

Ben Hammer: Ich glaube, man muss einfach anfangen. Ich habe auch am Anfang Fehler gemacht, die beim dritten Buch eben nicht mehr passieren. Aber da muss am Ende jeder selbst durch. Am Ende ist die Fotografie und der Druckprozess eben nur ein kleiner Teil. Fragen wie: Wo lagere ich die Bücher, wie verschicke ich sie? Wie baue ich den Onlineshop? Sind die Rechnungen korrekt, was kostet der Versand ins Ausland? Dies sind Stolpersteine, mit denen man sich, wenn man wie ich alles selbst macht, eben beschäftigen muss. Und trotzdem passieren eben Fehler. 

Da ich meine Bücher immer mit Crowdfundings vorfinanziert habe, zumindest in Teilen, ist die Auflage meiner Bildbände immer 1000 Stück. Mir war es damals wichtig, einen Verkaufspreis zu haben, der „erschwinglich“ ist. Auch für Studenten oder Kunstinteressierte, die vielleicht nicht im Jahr 100 Euro für Bildbände ausgeben. Da ist dann auch eine Auflage wie 1000 Stück praktisch, weil dann am Ende vielleicht das einzelne Exemplar im Einkauf noch 15 Euro kostet. Immer noch keine glorreiche Marge, wenn Bücher für 35 Euro inkl. Mehrwertsteuer, Verpackung und Versand verkauft werden. Aber mir ist es auch bei Prints und Co. immer lieber, wenn die „Kunst“ im Umlauf ist. Und nicht, dass ich damit wirklich wirtschaftlich arbeite. Dann bekomme ich nur Kopfschmerzen. Am Ende hatte ich mit Band 1 und seinen 366 Seiten halt 6 Europaletten und 1,6 Tonnen Bücher im Studio stehen. Auch das gehört dazu und nervt manchmal. Aber jedes schöne Feedback zu den Werken sagt mir dann: Alles richtig gemacht. 

Thomas Berlin: Können wir über dein neues Buch "Paradies" sprechen? 

Ben Hammer: Klar, gerne sogar!

Thomas Berlin: Nach Deinen beiden ersten Büchern „Das Leben und Sterben des Ben Hammer“ sowie „Tage danach“ ist Paradies der Abschluss einer Trilogie, die eng mit deiner Person verbunden ist. Wie unterscheiden sich diese drei Bücher voneinander? 

Ben Hammer: Also in meinen Augen bieten sie sehr viel Interpretationsspielraum und lassen sich je nach Zeit und Interpretationslaune immer wieder neu entdecken. Wenn man mich zwingt, sie in wenigen Sekunden zu beschreiben, ist eigentlich alles ein „Coming-of-Age“. Band 1 mit Nachtleben, Partys und Suff in den frühen 20ern, nachdem ein Landei alles nachholt und tief ins Leben eintaucht. Band 2 erzählt ein wenig von der ersten großen Liebe der eigentlich zwangsläufig folgenden Trennung und dem Umgang mit Erinnerungen, Schmerzen und Enttäuschung. Und „Paradies“ vom älter werden. Ruhiger, spießiger und der Suche nach dem Mittelpunkt des Lebens. Irgendwie unterscheiden sich so die großen Themen der Bücher, obwohl es immer wieder Überschneidungen gibt, inhaltlich. Auch wenn sie visuell vielleicht nicht direkt auf den ersten Blick auffallen.

Thomas Berlin: So paradiesisch im klassischen Sinne sieht es in deinem Buch „Paradies“ nicht aus. Ich interpretiere das Buch, um deine Beschreibung zu ergänzen, als Suche nach Glücksmomenten im Alltag und weniger als die Suche nach einer paradiesischen Insel oder so etwas … 

Ben Hammer: Genau! Das „Paradies“ ist ein sehr metaphorisch aufgeladener Begriff. Viel romantischer als der Tod. Im Prozess habe ich mir die Frage im Buch gestellt, ob es wirklich das Ziel sein kann, auf etwas Besseres nach dem Leben zu hoffen oder ob man es schafft einen „Paradies-ähnlichen“ Zustand schon im Leben zu erreichen.

Thomas Berlin: Das "Paradies" wirkt immer noch spontan und authentisch, aber es kommt mir optisch deutlich "gefälliger" vor als dein erstes Buch „Das Leben und Sterben des Ben Hammer“. Hängt das nur mit dem weiter entwickelten Thema zusammen oder hast du dich auch fotografisch verändert? 

Ben Hammer: Ich glaube nicht, dass ich mich fotografisch verändert habe. Aber ich habe in den letzten Jahren ein bisschen durch Instagram Gefallen an dem „Alltäglichen“ gefunden und es hat mich bei vielen Fotografen inspiriert, wie sehr sie kleine Details wahrnehmen. Ein bisschen so, wie als ich angefangen habe und nicht immer Models zur Verfügung standen und ich viel diverser fotografiert habe, weil ich fotografieren wollte und die Motive in dem gesucht habe, was mich umgibt. Das hatte ich in den letzten Jahren ein bisschen verlernt. Dazu kam die Entscheidung, dass Paradies wieder in Farbe sein sollte. Seit „Tage Danach“ habe ich freie Strecken eigentlich nur noch in Schwarz-Weiß fotografiert und ich hatte große Lust, mal wieder in Farbe zu arbeiten. Das ermöglicht dann eben auch Motive, die in Tage Danach gepasst hätten, aber nicht so gut funktioniert hätten, weil sie die Faszination eben erst in Farbe so richtig entwickeln. Also war es eine Mischung aus technischer Entscheidung und Muße. Nicht zuletzt gab es dieses Jahr aber auch fast keine Partys und Kneipenabende, weswegen diese eskalativen Fotos gar nicht entstehen konnten. Konzeptionell waren sie aber auch nicht wichtig für Paradies. Diese Fotos mache ich aber trotzdem immer noch.

Bilder oben: Aus Buch 2 “Paradies”

Thomas Berlin: Ich finde die Kombination aus Fotos und Geschichte bzw. Gefühlen bei deinen Büchern gut. Waren die drei Bücher „nur“ eine Geschichte oder ist das so persönlich, dass man fast von einer Therapiesitzung in eigner Sache sprechen könnte? 

Ben Hammer: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema, nicht auch was mit einem selbst macht. Gerade, wenn man mit Texten, Songtexten und Zitaten oder Notizen arbeitet. Ich würde jetzt aber nicht so weit gehen und sagen, dass es eine Art von Therapie ist, weil ich dafür die meiste Zeit zu gut drauf bin (lacht). Nach Band 1 habe ich aber gemerkt, dass ich meine Arbeiten besser finde und ich mich länger und intensiver mit ihr beschäftigen kann, wenn es einen starken Bezug zu etwas hat, was mir was bedeutet oder mit dem ich mich persönlich beschäftige. Das wollte ich nach Band 1 unbedingt beibehalten. Und das ist die Liebe und die Faszination für Mitmenschen als Ergebnis, was man an „Tage Danach“ aber auch bei „Paradies“ findet. Nur immer in unterschiedlichen Lebensphasen, die wahrscheinlich jeder Mensch mal durchgemacht hat oder sie gerade durchmacht.

Thomas Berlin: Ben, noch einige Fragen zu Dir persönlich. Wie und wann Du überhaupt zur Fotografie gekommen?

Ben Hammer: Ich hab mir 2013 die erste Kamera gekauft. Damals für meinen Blog auf dem ich über Fotografie und Kunst und Medien und alle anderen schönen Dinge geschrieben hab. Und dann ging die Reise los.

Thomas Berlin: Du fotografierst auch Akt. Gleichzeitig bist du in den sozialen Medien aktiv, wo du deine Bilder ja kaum zeigen kannst. Welche Konsequenzen hat das für dich? Nutzt du Plattformen ohne Zensur?

Ben Hammer: Nervt mich super inzwischen. In erster Linie produziere ich also für Bücher, Ausstellungen und Prints. Hin und wieder zensiere ich was, wenn ich was posten möchte. Ansonsten ist Behance mit seiner „Altersbeschränkung“ ganz gut, aber auch Ello hat keine Zensur und eine sehr künstlerische Community. Dieses Jahr bin ich dann auf die Idee gekommen, mit magazine.benhammer.photo mein eigenes Onlinemagazin für meine Strecken aufzusetzen. Das ist Passwort geschützt, man muss sich registrieren und wird nicht auf Google indexiert. Das macht mir gerade sehr viel Spaß meine Strecken dafür aufzubereiten und einzupflegen. Aber eigentlich mach ich den Kram für den Druck. 

Thomas Berlin: Druck ist ein gutes Stichwort: Druckst du bzw. lässt Du für den Printverkauf oder für Ausstellungen drucken? Kannst du noch darauf eingehen, was für Prints (Inhalt, Formate, Material) du (wie) verkaufst?

Ben Hammer: Ich hatte das Glück in den letzten Jahren immer gute Partner für verschiedene Bereiche kennenzulernen. Auch wenn ich extrem viel experimentiert habe, bin ich heute ziemlich happy. Meine Bücher entstehen zum Beispiel bei der Druckerei Siepmann in Hamburg. FineArt Prints und Prints im allgemeinen für Ausstellungen oder Bestellungen lasse ich bei Photocircle in Berlin produzieren, wie schon gesagt. Dort bin ich auch in der Online-Gallery gelistet, also können ausgewählte Prints von mir in den verschiedensten Materialien online bei Photocircle bestellt werden. Gewidmete oder limitierte Prints gibt’s dabei nur bei mir im eigenen Shop. 

Da ich auch meine Ausstellungen immer oft von der Präsentationsform abhängig mache, wechseln die Materialien. Ich habe für Ausstellungen schon AluDibonds mit Holzrahmen und Schattenfuge drucken lassen und in 2,10m x 1,60m aufgehangen. Aber auch schon einfach auf Fotopapier gedruckt und die Prints aus dem Heimdrucker auf Acrylglas geklebt und aufgehangen. Zuletzt hatte ich mal einen einzigen Print auf eine 5x4 Meter große Plane gedruckt und während der Tage der Offenen Ateliers ausgestellt. Deswegen kann ich das gar nicht so pauschal beantworten. Aber AluDibond mit Schattenfuge und Holzrahmen ist immer eine gute Wahl (lacht).

Wiebke / © Ben Hammer

Thomas Berlin: Welche Erfahrungen und Pläne mit Ausstellungen hast du? Worauf kommt es bei einer eigenen Ausstellung an?

Ben Hammer: Ich fühle Galerie-Ausstellungen nicht so sehr, auch wenn ich sie gerne besuche, ist mir das zu steif und ich halte es dort nicht lange aus. Deswegen sind meine auch eher Pop-kulturell oder urban. In Kneipen, Off-Locations, Pop-up Stores oder unter freiem Himmel. Mir ist wichtig, dass die Menschen, die meiner Fotografie ihre Zeit widmen, eine gute Zeit Vorort haben. Dass es gute Gespräche, kaltes Kölsch, gute Musik und alles gibt, was man braucht, um einen guten Abend zu haben. Ich habe in den letzten 5 Jahren bestimmt 20 verschiedene Konzepte ausgestellt, weswegen ich mit der Ideenentwicklung relativ entspannt bin. Das passiert dann, wenn mir Räume angeboten werden und ich gucke, welches neue Konzept vielleicht Sinn ergibt oder wirken könnte. Aber sobald es wieder geht, werde ich bestimmt wieder die ein oder andere Ausstellung machen. Steht ja auch noch ein Buchrelease aus.

Thomas Berlin: Was machst Du neben der Fotografie gern?

Ben Hammer: Alles, außer Sushi essen :)

Thomas Berlin: Möchtest Du noch etwas sagen?

Ben Hammer: Ja. Erst einmal danke für deine sehr guten Fragen. Ich habe bisher viele Interviews gegeben, aber keins hat mich so sehr gefordert, wie deins. Das ist eine Fähigkeit, die du unbedingt beibehalten solltest. Und natürlich danke für deinen Support und die Möglichkeit. 

Ansonsten sage ich mir, anderen, dir und jedem der mich fragt in diesem Jahr gerne: Einfach weitermachen! Durchhalten!

Thomas Berlin: Ben, danke für das Feedback und das spannende Interview!


Ben ist erreichbar auf seiner Website oder seiner Portfolio-Seite. - Feedback ist hier willkommen.

Bilder oben: © Ben Hammer